VVG § 173 Abs. 2; AVB-BU § 1 § 2
Leitsatz
1. Die bei "außervertraglichen Vereinbarungen" über eine befristete Erbringung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung an sich gebotene Belehrung kann entfallen, wenn der VR ein befristetes Anerkenntnis hätte aussprechen dürfen.
2. War ein VN – den AVB entsprechend – zu dem von ihm behaupteten Zeitpunkt des Versicherungsfalls voraussichtlich sechs Monate berufsunfähig und konnte der VR kein befristetes Anerkenntnis aussprechen, kann sich der VR von seiner Leistungspflicht nurmehr im Wege der Nachprüfung lösen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 2.4.2015 – 2 O 275/11
Sachverhalt
Der Kl. unterhält bei dem Bekl. seit 1998 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Seit 2003 war der Kl. als Führer einer Straßenbahn in 6-Tage-Wechselschicht beschäftigt. 2008 beantragte er bei dem Bekl. Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Zuge der Leistungsprüfung schlossen die Parteien im August 2008 eine Vereinbarung, nach der sich der Bekl. ohne Anerkennung einer Rechts- oder Leistungspflicht bereit erklärte, aus der BUZV ab dem 1.11.2008 bis 31.12.2009 die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen. In der Vereinbarung ist ausdrücklich klargestellt, dass die vorübergehende Erbringung der Leistungen kein Anerkenntnis einer Berufsunfähigkeit oder Verzicht auf die Möglichkeit der Verweisung im Rechtssinne darstellt.
Nach dem 31.12.2009 lehnte der Bekl. weitere Leistungen aus der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung ab, weil er eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit für nicht erwiesen ansah. Der Kl. behauptet (fortbestehende) Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf über 2009 hinaus wegen orthopädischer, neurologischer und psychischer Beschwerden.
Der Bekl. bestreitet bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Anspruchszeitraum und hat vorsorglich das Entfallen der Leistungspflicht wegen Wiedererlangung der Berufsfähigkeit mitgeteilt. Er behauptet dazu, dass der Kl., der unstreitig seit April 2011 bis zu einem Unfall im Jahre 2014 wieder halbschichtig in seinem Beruf als Straßenbahnfahrer tätig gewesen ist, zu mehr als 50 % seinen Beruf wieder nachgehen könne, was der Kl. bestreitet.
2 Aus den Gründen:
" … Dem Kl. steht gegen die Bekl. aus der zwischen den Parteien bestehenden BUZV ein Anspruch auf die bedingungsgemäße Rente sowie Beitragsbefreiung von Haupt- und Zusatzversicherung zu, weil er nachgewiesen hat, dass er auch über 2009 hinaus im bedingungsgemäßen Ausmaß berufsunfähig war und die Bekl. nicht bewiesen hat, dass diese Berufsunfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder entfallen ist."
I. Der Kl. hat aus der zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einen Anspruch auf die bedingungsgemäßen Leistungen in Form von Rente und Beitragsbefreiung.
1. Der Anspruch auf die bedingungsgemäßen Leistungen folgt nicht bereits aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung von August 2009, da diese Vereinbarung lediglich die Leistungsgewährung vom 1.11.2008 bis zum 31.12.2009 regelt und auch kein als unbefristet zu bewertendes Leistungsanerkenntnis des Bekl. enthält, da die Vereinbarung für den Kl. unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass die Leistungserbringung kein Anerkenntnis einer Berufungsunfähigkeit oder den Verzicht auf die Möglichkeit der Verweisung im Rechtssinne darstellt.
2. Der Leistungsanspruch folgt allerdings aus den vereinbarten allgemeinen Bedingungen für Berufsunfähigkeitsleistungen. Denn die Bedingungen regeln, dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit u.a. dann vorliegt, wenn die versicherte Person mindestens 6 Monate außer Stande war, ihren Beruf oder eine Verweisungstätigkeit noch zu mindestens 50 % auszuüben. Diese Regelung einer sog. fiktiven Berufsunfähigkeit, bei der die auf einen in der Zukunft liegenden Zeitraum zu stellende Prognose durch die in der Vergangenheit liegende definierte Zeit einer tatsächlich eingetretenen Berufsunfähigkeit ersetzt/fingiert wird, erschließt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 2 der vereinbarten Bedingungen, der die Berufsunfähigkeit definiert. Denn danach liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person in Folge Krankheit … außer Stande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Daneben regelt § 1 in dessen Abs. 1, dass der Bekl. die vereinbarten Versicherungsleistungen erbringt, wenn die versicherte Person voraussichtlich mindestens 6 Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % berufsunfähig wird. In § 1 Abs. 4 wird zudem geregelt, dass die Anspruchstellung der versicherten Person umgehend erfolgen soll, wenn die 6-monatige Mindestdauer der Berufsunfähigkeit ärztlicherseits voraussehbar oder bereits eingetreten ist. In der Gesamtschau lassen diese, für den durchschnittlichen VN nicht gerade eingängigen Regelungen zu bedingungsgemäßen Definition der Berufsunfähigkeit jedenfalls i.S.d. hier maßgeblichen, für den VN günstigsten Auslegungsv...