BGB § 249; StVG § 7
Leitsatz
Die Kosten einer privatärztlichen Behandlung sind jedenfalls dann zu erstatten, wenn der Verletzte bereits vorher bei einem privat liquidierenden Arzt in Behandlung gewesen ist, die Konsultation dieses Arztes also dem bisherigen Lebensstandard des Verletzten entspricht, die Behandlung kurzfristig erfolgreich und im Hinblick auf die angefallenen Kosten (hier: 247,59 EUR) auch nicht unwirtschaftlich war.
(Leitsatz des Einsenders)
AG Schleswig, Urt. v. 27.2.2015 – 21 C 80/14
Sachverhalt
Bei einem Verkehrsunfall wurde die Kl. als Fußgängerin von dem Pkw der Bekl. angefahren und erlitt hierbei Blockaden und Prellungen im unteren Bereich des Körpers mit Schmerzen in den Beinen und der Hüfte. Die gesetzlich krankenversicherte Kl. begab sich in die Behandlung eines privat liquidierenden Arztes, in dessen Behandlung sie sich schon zuvor befunden halte. Dessen Behandlung behob die Beschwerden innerhalb von 2–3 Wochen.
Die Bekl. (Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherung) weigerten sich, die Kosten der privatärztlichen Behandlung von 247,39 EUR zu erstatten.
Das AG sprach der Kl. diesen mit der Klage verfolgten Betrag zu.
2 Aus den Gründen:
"Die Bekl. haben die Kosten der privatärztlichen Behandlung i.H.v. 247,53 EUR zu bezahlen. Deren Ersatzfähigkeit hängt bei gesetzlich krankenversicherten Verletzten von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist insoweit, ob die privatärztliche Behandlung aus der Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten erforderlich erscheint, insb. nach Art der Verletzung und dem Lebensstandard des Verletzten (vgl. BGH-Entscheidung v. 12.7.2005 – VI ZR 83/04, zit. n. juris, Rn 49) Die Inanspruchnahme der privatärztlichen Behandlung ist im Fall der Kl. nicht zu beanstanden und kann auch im Hinblick auf die Höhe der Kosten nicht als unwirtschaftlich angesehen werden. Die Kl. hat als Zeugin glaubhaft erklärt, dass ihre Beschwerden nach der Behandlung innerhalb von 2–3 Wochen gänzlich abgeklungen seien und die Blockaden durch den Arzt behoben wurden. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Behandlung als erfolgreich dar. Im Hinblick darauf, dass die Kl. bereits vorher bei dem privat liquidierenden Arzt in Behandlung war, entsprach die Konsultation dieses Arztes auch ihrem bisherigen Lebensstandard. Sie hätte auch ohne den Unfall bei sonstigen Beschwerden den Privatarzt aufgesucht, weil es sich dabei nach ihrer Aussage um den Arzt ihres Vertrauens handelte. Vor diesem Hintergrund sind die Kosten auch von den Bekl. als Schädiger zu ersetzen."
Mitgeteilt von RA Stefan Bachmor, Hamburg
3 Anmerkung
Die Kl. ist wohl nicht – wie in den Gründen festgehalten – als Zeugin vernommen, was unzulässig gewesen wäre (zur Verwertbarkeit der Aussage vgl. aber BGH LM Nr. 3 zu § 373 ZPO), sondern nach § 287 Abs. 1 S. 3 ZPO angehört worden. Ob ein gesetzlich krankenversicherter Geschädigter die Mehrkosten einer privatärztlichen Behandlung ersetzt verlangen kann oder auf die Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen ist, beantwortet die Rspr. durch das Abstellen eines von dem gesetzlich krankenversicherten als "verständigen Geschädigten" zu erwartendem Verhalten (vgl. BGH VersR 2005, 1559; BGH VersR 1970, 129). Grundsätzlich löst der verständige Geschädigte keine Mehrkosten bei der Heilbehandlung durch die Inanspruchnahme einer privatärztlichen Behandlung, stationär und ambulant, aus. Immerhin wird dem verständigen Geschädigten zugestanden, dass er die privatärztliche Behandlung wählen darf, wenn damit von ihm befürchtete Risiken ausgeschlossen oder vermindert werden oder der Heilungsverlauf gefördert wird. Solche Erwartungen wird der Geschädigte in seiner besonderen Lage, die von Pessimismus geprägt ist, oft hegen (vgl. BGH VersR 1970, 129; LG Koblenz NJW-RR 1986, 702; LG Augsburg zfs 1990, 45). Entbehrlich ist diese Prüfung dann, wenn der Geschädigte über Versicherungsschutz verfügt, der privatärztliche Behandlung umfasst oder bei dem Zuschnitt seines Lebens er in der Vergangenheit trotz fehlenden Versicherungsschutzes privatärztliche Behandlungen in Anspruch genommen hatte (vgl. Jäger, in: Halm/Himmelreich, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 5. Aufl., Kapitel 13 Rn 10). Maßgeblich ist damit die von dem Geschädigten praktizierte Lebensgestaltung (vgl. die Schlossherrenentscheidung des BGH VersR 2005, 1559; Ch. Huber, NZV 2005, 620, 622).
Brisant sind die Fälle, in denen der Geschädigte eine sehr aufwändige privatärztliche Behandlung mit der Begründung überragender, in Deutschland nicht erreichter Sachkunde des ausländischen Mediziners in Anspruch genommen hat (vgl. BGH VersR 1959, 1040). Der BGH hebt als Grundsatz für die Prüfung der Angemessenheit dieser Mehrkosten hervor, dass grds. zur Behandlung dieser Verletzungen auf am Ort vorhandene "tüchtige und erfahrene Ärzte" (VersR 1969, 1042) zurückzugreifen sei, lässt allerdings im entschiedenen Fall eine Liquidation der Mehrkosten der ausländischen Ärzte zu. In die Angemessenheitsprüfung flossen die Überlegungen ein, dass die Geschädigte in Deut...