ZPO § 101 Abs. 1 § 319 § 321
Leitsatz
Hat das Gericht eine gem. § 101 Abs. 1 ZPO erforderliche Entscheidung über die Kosten des Streithelfers versehentlich nicht getroffen, kommt eine Nachholung dieser Entscheidung im Wege der Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO – an Stelle einer Ergänzung nach § 321 Abs. 1 ZPO – nur dann in Betracht, wenn das Versehen des Gerichts "offenbar" ist, mithin sich dies aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar ist; die bloße Erwähnung der Streithilfe im Rubrum der Entscheidung genügt insoweit nicht.
BGH, Beschl. v. 1.3.2016 – VIII ZR 287/15
Sachverhalt
Der BGH hatte durch Beschl. v. 20.1.2016 – VIII ZR 287/15 – die Nichtzulassungsbeschwerde der Kl. zurückgewiesen und ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Eine Entscheidung gem. § 101 Abs. 1 ZPO über die Kosten der Streithelferin der Bekl. enthielt der Beschl. nicht. Der Beschl. des BGH war dem Prozessbevollmächtigten der Streithelferin am 27.1.2016 zugestellt worden. Mit dem noch am selben Tage beim BGH eingegangenen Schriftsatz hatte der BGH-Anwalt der Streithelferin beantragt, den Beschl. des BGH gem. § 321 ZPO im Kostenpunkt zu ergänzen, hilfsweise nach § 319 ZPO zu berichtigen.
2 Aus den Gründen:
[2] "… II. Auf den zulässigen, insb. fristgerecht gestellten Antrag der Streithelferin ist der Beschl. des Senats v. 20.1.2016 entsprechend § 321 Abs. 1 ZPO um die versehentlich unterbliebene Entscheidung über die Kosten der Streithelferin nach § 101 Abs. 1 ZPO zu ergänzen."
[3] 1. Eine Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO kommt hier nicht in Betracht. Zwar ist eine solche Berichtigung nach der Rspr. des BGH grds. auch im Falle einer versehentlich unterbliebenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe möglich (siehe nur BGH, Beschl. v. 10.2.2011 – IX ZR 110/09, juris Rn 2; v. 10.4.2014 – V ZR 268/12, juris Rn 1 f.; BGH RVGreport 2014, 447 (Hansens) = zfs 2015,43 m. Anm. Hansens). Erforderlich hierfür ist, dass eine versehentliche Abweichung von dem seitens des Gerichts Gewollten vorliegt und diese Abweichung “offenbar’ ist, mithin sich dies aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar ist (BGH, Beschl. v. 16.4.2013 – II ZR 185/10, juris Rn 2; BGH AGS 2013, 356; BGH RVGreport 2014, 447 (Hansens) = zfs 2015,43 m. Anm. Hansens jeweils m.w.N.
[4] An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. Zwar wollte der Senat bei dem Erlass des Beschl. v. 20.1.2016 der Kl. auch die Kosten der Streithelferin gem. § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen und ist dies lediglich versehentlich nicht im Tenor ausgesprochen worden. Dieses Versehen ist jedoch nicht “offenbar’ i.S.d. § 319 Abs. 1 ZPO, da weder die Gründe des Beschl. Ausführungen zu den Kosten der Streithelferin enthalten noch im Beschl. die die Kosten des Streithelfers regelnde Vorschrift des § 101 Abs. 1 ZPO genannt wird noch etwa jegliche Entscheidung über die Kosten fehlte (vgl. hierzu BGH AGS 2013, 356; BGH RVGreport 2014, 447 (Hansens) = zfs 2015,43 m. Anm. Hansens) und auch sonst hinreichende, nach außen ohne Weiteres erkennbare Anhaltspunkte für ein offenkundiges Versehen nicht vorliegen. Die bloße Erwähnung der Streithilfe im Rubrum der Entscheidung – wie hier der Fall – genügt insoweit nicht (BGH, a.a.O.).
[5] 2. Bei dieser Sachlage kann eine Korrektur indes durch eine Ergänzung der Entscheidung nach § 321 Abs. 1 ZPO erfolgen, der auf Beschlüsse entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 26.8.2013 – IX ZR 26/13, juris Rn 1; BGH NJW-RR 2009, 209). Da die Streithelferin auch dies – innerhalb der von § 321 Abs. 2 ZPO hierfür vorgesehenen Frist durch Schriftsatz ihres beim BGH zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 78 Abs. 1 S. 3 ZPO) – beantragt hat, ist der Beschl. des Senats v. 20.1.2016 antragsgemäß dahin zu ergänzen, dass die Kl. auch die Kosten der Streithelferin der Bekl. zu tragen hat.“
3 Anmerkung:
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Gerichte in der Hektik des Alltags eine Entscheidung über einen Teil des ihnen unterbreiteten Sachverhalts vergessen. Dies kann einen Teil der Hauptsache, aber auch eine Nebenentscheidung betreffen, etwa Zinsen oder Kosten. Besonders gern wird eine Entscheidung über die Kosten des Streithelfers vergessen. Auch der BGH ist – wie der Beschl. des VIII. ZS. des BGH zeigt – vor derartigen Fehlern nicht gefeit. Häufig vergessen die Instanzgerichte auch Kostenentscheidungen in besonderen Verfahrenssituationen, wie etwa die Mehrkosten bei Verweisung (§ 281 Abs. 3 S. 2 ZPO), die dem Kl. aufzuerlegen sind, oder die Kosten der Säumnis, die der säumigen Partei nach § 344 ZPO aufzuerlegen sind.
Die Prozessbevollmächtigten der Parteien sind in solchen Fällen verpflichtet, die ihrem Mandanten durch unterbliebene Kostenentscheidungen drohenden Nachteile abzuwenden, indem sie bei Gericht den richtigen Antrag stell...