StVO § 4 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Bei dem Abstandsmessverfahren VKS (Verkehrskontrollsystem) der Herstellerfirma Vidit Systems GmbH handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden verfolgt – ebenso wie die Berücksichtigung eines Toleranzabzugs für etwaige systemimmanente Messfehler – gerade den Zweck, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen.
2. Allgemein ist Voraussetzung für die Aburteilung eines Abstandsverstoßes, dass eine nur ganz vorübergehende Unterschreitung des zulässigen Abstands ausgeschlossen werden kann. Dieses Postulat hat keinen Selbstzweck, sondern soll gewährleisten, dass der Verstoß auch vorwerfbar begangen wurde, was etwa bei einem plötzlichen Abbremsen oder einem unerwarteten Spurwechsel durch den Vorausfahrenden fraglich sein könnte.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.4.2016 – 3 (4) SsBs 121/16 – AK 53/16
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. von dem Vorwurf der Abstandsunterschreitung freigesprochen. Der Bußgeldbescheid hatte gegen den Betr. eine Geldbuße von 265 EUR und ein zweimonatiges Fahrverbot festgesetzt. Zu Begründung des Freispruchs führt das AG in seiner Entscheidung neben den Zweifeln an dem Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens u.a. aus, die Dauer der abstandsunterschreitenden Fahrt habe vorliegend weniger als drei Sekunden betragen, so dass das für die Ahndung eines Abstandsverstoßes erforderliche Kriterium einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung nicht erfüllt sei; zudem habe nicht festgestellt werden können, dass der Betr. und der Vorausfahrende konstant die gleiche Geschwindigkeit eingehalten hätten. Das OLG Karlsruhe hat auf die Rechtsbeschwerde der StA den Beschl. des AG aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"Die zulässige und gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde der StA hat auf die Sachrüge hin Erfolg, weil das AG sich mit nicht zutreffenden Erwägungen gehindert gesehen hat, das Abstandsmessverfahren VKS anzuwenden."
1. Bei dem Abstandsmessverfahren VKS (Verkehrskontrollsystem) der Herstellerfirma Vidit Systems GmbH handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Dresden DAR 2005, 637; vgl. auch Krumm, DAR 2007, 129, 131). Dem steht nicht entgegen, dass durch das Anklicken der Aufstandspunkte der linken Vorderräder durch den Auswerter “menschliche Unsicherheitsfaktoren’ zum Tragen kommen können (vgl. Löhle, DAR 2016, 161, 163). Standardisiertes Messverfahren bedeutet nämlich nicht, dass die Messung in einem voll automatisierten Verfahren stattfinden muss. Vielmehr ist hierunter ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277). Diesen Anforderungen wird das vorliegende Messverfahren gerecht, bei denen die Abstandsmessung von besonders geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt durchgeführt wird. Hinzu kommt, dass bei konkreten Einwänden (z.B. gegen die Anlegung einer Messlinie) die Videoaufzeichnung zur Verfügung steht, anhand derer der Auswertungsvorgang im Nachhinein nochmals exakt nachvollzogen und überprüft werden kann (OLG Dresden, a.a.O.). Soweit das AG bemängelt, dass “ausschließlich die Herstellerfirma Zugriff auf die Rohdaten’ habe, weshalb die “Gefahr von Missdeutungen, Fehlinterpretationen und Manipulationen’ bestehe, ist anzumerken, dass der Umstand, dass ein Sachverständiger – mangels Zugangs zu patent- und urheberrechtlich geschützten Herstellerinformationen – die genaue Funktionsweise des Gerätes anhand hierfür relevanter Daten der Messwertermittlung nicht im Einzelnen nachvollziehen kann, an der Verwertbarkeit der Messungen des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassenen Messsystems nichts ändert (vgl. zu PoliScan Speed OLG Karlsruhe VRS 127, 241; vgl. auch zur quantitativen Fehleranalyse mit Präzisions-GPS-Inertialsystem: http://www.vidit-systems.de/index.php). Die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden verfolgt – ebenso wie die Berücksichtigung eines Toleranzabzugs für etwaige systemimmanente Messfehler – gerade den Zweck, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen (BGHSt 39, 291, 297).
Soweit das AG die Annahme eines standardisierten Messverfahrens durch die Erwägung in Frage stellen will, bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge des Betr. und des Vorausfahrenden werde in jedem Fall ein Sachverständigengutachten benötigt, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Zum Einen werden zwei hintereinander fahrende Fahrzeuge über eine bestimmte Messstrecke nur selten die exakt gleiche (mittlere) Geschwindigkeit einhalten, zum Anderen wirkt sich eine im Nahbereich ermittelte, hö...