GG Art. 19 Abs. 4 S. 1 Art. 20 Abs. 3; StVO § 1 § 39 Abs. 1 § 41 Abs. 1 § 45 Abs. 4; VwVfG § 35 S. 2
Leitsatz
Ist ein ursprünglich erlaubt geparktes Fahrzeug aus einer nachträglich eingerichteten Haltverbotszone abgeschleppt worden, muss der Verantwortliche die Kosten nur tragen, wenn das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt wurde. Eine stundenscharfe Berechnung des Vorlaufs findet nicht statt.
BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 – 3 C 25.16
Sachverhalt
Der Rechtsstreit betrifft die Länge der Vorlaufzeit, die Voraussetzung der kostenrechtlichen Inanspruchnahme des Fahrzeugverantwortlichen für eine Abschleppmaßnahme bei nachträglich angeordneten Haltverboten ist.
Die Kl. stellte ihren Pkw nach eigenen Angaben am 19.8.2013 auf einer öffentlichen Straße in Düsseldorf vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung ab und flog anschließend in den Urlaub. Am Vormittag des 20.8.2013 stellten Mitarbeiter eines privaten Umzugsunternehmens – auf der Grundlage einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung der beklagten Stadt vom 15.8.2013 – in dem betreffenden Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines Umzugs zwei mobile Haltverbotsschilder für den Zeitraum vom 23.–24.8., jeweils von 7:00 bis 18:00 Uhr, auf. Das Fahrzeug der Kl. war zu diesem Zeitpunkt bereits im Bereich der eingerichteten Haltverbotszone geparkt. Am 23.8.2013 um 13:43 Uhr veranlasste ein Mitarbeiter der beklagten Stadt, nachdem er mehrfach erfolglos an der Wohnung der Kl. geklingelt hatte, dass das Fahrzeug von einem Abschleppunternehmen auf dessen Betriebshof geschleppt wurde. Dort holte es die Kl. am 5.9.2013 gegen Zahlung von 176,98 EUR für Abschlepp- und Verwahrungskosten ab. Mit Bescheid vom 7.10.2013 setzte die Bekl. eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 62 EUR fest.
Die auf Erstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten und Aufhebung des Gebührenbescheids gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen (VG Düsseldorf, Urt. v. 22.1.2014 – VG 14 K 8394/13 und OVG NRW, Urt. v. 13.9.2016 – OVG 5 A 470/14, Der Verkehrsanwalt 2016, 311) erfolglos geblieben. Das BG hat zur Begründung ausgeführt, die Verkehrsschilder seien gut erkennbar aufgestellt und das Haltverbot damit wirksam bekanntgegeben worden. Die Abschleppmaßnahme sei erforderlich gewesen, um die blockierte Fläche für die mit der temporären Verkehrsregelung bezweckte Durchführung der Umzugsarbeiten freizugeben und die eingetretene Behinderung der Umzugsarbeiten zu beenden. Mildere Mittel zur Störungsbeseitigung hätten nicht bestanden, weil die in unmittelbarer Nähe wohnende Kl. nicht erreichbar gewesen sei. Auch die Kostenbelastung der Kl. sei nicht unangemessen. Der Umstand, dass Haltverbotsschilder erst nach dem rechtmäßigen Abstellen eines Fahrzeugs aufgestellt worden seien, stehe der Verhältnismäßigkeit der Belastung des Fahrzeugverantwortlichen mit den Kosten für das Abschleppen des Fahrzeugs aus dem Haltverbot im Regelfall nicht entgegen, wenn zwischen dem Aufstellen der Haltverbotsschilder und der Abschleppmaßnahme – wie hier – eine Frist von 48 Stunden verstrichen sei. Aus der Rspr. des BVerwG folge nichts anderes. Dieser lasse sich nicht entnehmen, dass die gebilligte Vorlaufzeit von drei vollen Tagen als zwingend einzuhaltende Mindestvorlauffrist verstanden werden müsse. Eine Frist von 48 Stunden sei grds. ausreichend, um den Fahrzeughalter vor einer überraschenden Abschleppmaßnahme zu bewahren. Nur so könne auch eine hinreichend flexible Reaktionsmöglichkeit der Straßenverkehrsbehörden gewährleistet werden.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die zulässige Revision der Kl. ist begründet. Das Urteil des OVG verletzt Bundesrecht (1.). Zutreffend und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der StVO hat das BG zwar entschieden, dass mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen das Haltverbot auch gegenüber der abwesenden Kl. wirksam geworden ist und die Abschleppmaßnahme auch im Übrigen rechtmäßig war (2.). Die Auffassung, der Verantwortliche müsse die Kosten des Abschleppens bereits dann tragen, wenn das Haltverbotsschild mit einem Vorlauf von 48 Stunden aufgestellt wurde, verstößt aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (3.)."
1. Das Berufungsurteil unterliegt sowohl hinsichtlich der Abschleppmaßnahme als auch in Bezug auf die Kostenerstattung im nachfolgend dargelegten Umfang revisionsgerichtlicher Überprüfung.
a) Der Rechtsstreit betrifft eine auf landesrechtliche Gebühren- und Verwaltungsvollstreckungsvorschriften gestützte Zahlungspflicht für eine auf Grundlage des Landespolizeirechts durchgeführte Abschleppmaßnahme. Der Prüfungsmaßstab revisionsgerichtlicher Kontrolle ist daher eingeschränkt.
Neben den auf Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) beruhenden Fragen zur Aufstellung des mobilen Zeichens 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) kann die Revision auch auf die Verletzung der Vorschriften zu Bekanntgabe und Wirksamkeit von Verwaltungsakten nach §§ 41, 43 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – VwVfG NW gestützt werden, weil diese mit dem Wortlaut des Verwaltun...