ZPO § 32 § 36 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
1. Nimmt ein Kl. mehrere Bekl., die ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten haben, wegen der Mangelhaftigkeit seines Fahrzeugs aufgrund falscher Angaben über den Schadstoffausstoß in Anspruch und stützt er seine Ansprüche gegenüber beiden Bekl. vorrangig darauf, dass sie ihn bei dem Kauf des Pkw zurechenbar arglistig getäuscht hätten, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht, weil der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO besteht.
2. Von § 32 ZPO werden unerlaubte Handlungen im weiteren Sinn erfasst, worunter auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung fällt, wenn die Anfechtung aufgrund einer unerlaubten Handlung erklärt worden ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2017 – 5 Sa 44/17
Sachverhalt
Der Kl. kaufte von dem Bekl. zu 1), einem Händler, einen VW Passat, in den die Bekl. zu 2) als Herstellerin einen Dieselmotor des Typs EA 189 eingebaut hatte. Der Kl. nahm beide Bekl. als Streitgenossen vor dem LG Krefeld, dem allgemeinen Gerichtsstand der Bekl. zu 1), in Anspruch. Gegenüber der Bekl. zu 1) machte er die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeuges und die Feststellung des Annahmeverzuges geltend. In erster Linie stützte der Kl. seinen Anspruch auf eine Anfechtung des Kaufvertrages. Das Fahrzeug weise einen nicht behebbaren Mangel auf, weil es mit einer Softwaresteuerung ausgerüstet sei, die die Abgasreinigungsanlage in der Prüfungssituation bei dem Zulassungsverfahren so beeinflusse, dass möglichst wenige Stickoxide entstehen. Im normalen Fahrbetrieb würden Teile dieser unzulässigen Abgaskontrollanlage dagegen außer Kraft gesetzt. Eine Mangelbeseitigung durch Aufspielen des von der Bekl. zu 2) avisierten Softwareupdates sei nicht zumutbar. Die Bekl. zu 2) habe hinsichtlich der im Prüfungsverfahren angeblich ermittelten Stickstoffwerte neben einem Betrug eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung zu Lasten der Käufer verübt, was sich die Bekl. zu 1) als Vertragshändlerin zurechnen lassen müsse. Hilfsweise macht der Kl. gegenüber der Bekl. zu 1) den Rücktritt vom Kaufvertrag geltend. Die Schadensersatzverpflichtung der Bekl. zu 2) leitet der Kl. aus Schäden des Kfz im Zusammenhang mit den Manipulationen bei der Abgaskontrolle her.
Die Bekl. zu 2) hat die Zuständigkeit des angerufenen LG Krefeld gerügt. Der Kl. hat bei dem OLG Düsseldorf die Bestimmung des zuständigen Gerichts ohne Erfolg beantragt.
2 Aus den Gründen:
"… [7] II. 1. Das OLG Düsseldorf ist als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes gem. § 36 Abs. 2 ZPO berufen, weil das zuerst mit der Sache befasste LG Krefeld in seinem Bezirk liegt."
[8] 2. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt das im Rechtszug zunächst höhere Gericht das zuständige Gericht, wenn mehrere Parteien, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist.
[9] a) Der Kl. nimmt die Bekl. als Streitgenossen i.S.d. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch. § 60 ZPO beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grds. weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH NJW-RR 2011, 1137). Der Kl. nimmt die Bekl. wegen der Mangelhaftigkeit seines Fahrzeugs aufgrund falscher Angaben über den Schadstoffausstoß in Anspruch und stützt seinen Ansprüche gegenüber beiden Bekl. jedenfalls auch darauf, dass sie ihn zurechenbar arglistig getäuscht hätten. Der sachliche Zusammenhang wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Kl. gegen die Bekl. zu 1) auch Ansprüche aus dem Kaufvertrag geltend macht. Trotz der bestehenden Unterschiede erscheinen die erhobenen Ansprüche ihrem Wesen nach gleichartig, weil der Kl. seine Ansprüche damit begründet, bei dem Kauf seines Fahrzeugs arglistig getäuscht worden zu sein, mit der Folge, ein mangelhaftes Fahrzeug erworben zu haben, wozu beide Bekl. als Händler bzw. als Hersteller des Dieselmotors einen Beitrag geleistet haben.
[10] Im Ergebnis kommt es jedoch nicht darauf an, ob die Bekl. als Streitgenossenschaft gem. §§ 59, 60 ZPO anzusehen sind, denn die Frage, ob die Bekl. Streitgenossen i.S.d. § 60 ZPO sind, ist hier nicht entscheidungserheblich.
[11] Eine Gerichtsstandbestimmung scheidet nämlich bereits wegen des Bestehens eines gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstands beider Bekl. aus.
[12] Der Senat ist daher im Hinblick auf die Entscheidung des OLG Nürnberg (Urt. v. 25.4.2017 – 1 AR 749/17) nicht gehalten, die Sache gem. § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH zur Entscheidung vorzulegen.
[13] b) Die Bekl. haben ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand bei unterschiedlichen Gerichten. Die Bekl. ...