Es gilt der Grundsatz: Maßgeblich ist die wahrscheinlichste Entwicklung. Wenn es um die Befristung der Erwerbsschadensrente geht, soll hingegen das gesetzliche Renteneintrittsalter maßgeblich sein. Das ist ein Punkt, bei dem ich noch (haftpflicht-)versicherungsfreundlicher bin als die versicherungsfreundliche Literatur. Diese will dem Ersatzpflichtigen den Gegenbeweis ermöglichen, dass in einer bestimmten Berufsgruppe einer bestimmten Region 70 % oder mehr früher in Rente gehen.
Meine Position ist noch einen Schritt radikaler: Der Geschädigte ist beweispflichtig für die Dauer seines Erwerbsschadens. Ein non liquet geht zu seinen Lasten. Daher ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass Angehörige bestimmter Berufsgruppen im Regelfall früher in Altersrente gehen wie etwa Lehrer, Piloten oder Bergleute; der Verletzte hat dann zu beweisen, dass für ihn Gegenteiliges gilt. Professoren gehören übrigens nicht zu dieser Species, die früher aus ihrem Amt scheidet. Sie verbleiben an ihrer Wirkungsstätte, so lange es geht.
Wie bei den Sterbetafeln die steigende Lebenserwartung zu berücksichtigen ist, kann in diesem Zusammenhang das steigende Renteneintrittsalter infolge des demografischen Wandels allerdings nicht ausgeblendet werden. In Einzelfällen wird das höchste Erwerbseinkommen sogar erst in höherem Alter erreicht. Das gilt für Bill Clinton und Barack Obama; und wohl auch für Gerhard Schröder – jedenfalls seit Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes bei Rosneft. Auch so mancher (Vorsitzende) Richter, der in der Pension sein Know-how einer Anwaltskanzlei zur Verfügung stellt, erreicht seinen pekuniären Höhepunkt erst in dieser Lebensphase. Solche Persönlichkeiten sind dem Vortragenden in Deutschland und Österreich sehr wohl bekannt.