RL 2006/126/EG Art. 12; FeV § 28 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 § 7 Abs. 1 S. 2; VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Leitsatz
Unbestreitbar sind die Informationen dann, wenn sie von einer Behörde des Ausstellungsmitgliedstaats stammen, selbst wenn sie nur indirekt in Form einer Mitteilung Dritter übermittelt wurden und wenn sich aus ihnen die Möglichkeit ergibt, dass ein reiner Scheinwohnsitz begründet wurde, ohne dass dies bereits abschließend erwiesen sein muss (vgl. EuGH, Urt. v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10; BVerwG, Urt. v. 30.5.2013 – 3 C 18.12). Erst dann, wenn unbestreitbare Informationen aus dem Ausstellungsmitgliedstaat vorliegen, nach denen die Möglichkeit besteht, dass es sich um einen Scheinwohnsitz handelt, sind alle Umstände, die im anhängigen Verfahren bekannt geworden sind, mit einzubeziehen (vgl. EuGH, Urt. v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10; Urt. v. 26.4.2012 – Hofmann, C-419/10, zfs 2012, 351).
Ein solcher Fall ist nicht gegeben, wenn der Fahrerlaubnisbehörde allein die Mitteilung einer Verkehrspolizeiinspektion vorliegt, wonach der Betroffene nach dem deutschen Melderegister als einzigen Wohnsitz eine Stadt in Deutschland habe, sowie die Aussage des Betr., er habe den Führerschein in den Ferien in Polen erworben.
(Leitsatz der Schriftleitung)
VG Regensburg, Beschl. v. 22.6.2018 – RN 8 S 18.537 (rechtskräftig)
Sachverhalt
Mit Bescheid vom 15.3.2018 stellte die AG fest, dass der ASt. nicht berechtigt sei, von der ihm am 31.8.2017 von der Starosta Zagnask erteilten polnischen Fahrerlaubnis der Klassen AM, B1 und B in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Ziff. 1). Der ASt. wurde verpflichtet, seinen polnischen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids zwecks Eintragung eines Sperrvermerks bei der AG vorzulegen (Ziff. 2) Die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 und 2 wurde angeordnet (Ziff. 3). Für den Fall, dass der ASt. der in Ziff. 2 ausgesprochenen Verpflichtung nicht nachkomme, wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 250 EUR angedroht (Ziff. 4). Der ASt. erstrebt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte Feststellung, dass seine polnische Fahrerlaubnis ihn nicht berechtigt, in Deutschland Kfz zu führen, und die Verpflichtung zur Vorlage des tschechischen Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks.
2 Aus den Gründen:
"… II. Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet."
Der ASt. begehrt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, soweit er gegen Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheids der AG vom 15.3.2018 gerichtet ist und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, soweit er gegen Ziff. 4 des Bescheids der AG vom 15.3.2018 gerichtet ist. Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheids vom 15.3.2018 hat die AG die sofortige Vollziehung angeordnet. Die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 4 des Bescheids vom 15.3.2018 ist kraft Gesetzes (Art. 21a VwZVG) sofort vollziehbar. Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen und in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
1. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO Ziff. 4 des Bescheids vom 15.3.2018 betrifft, ist der Antrag bereits unzulässig.
Der Bescheid vom 15.3.2018 wurde ausweislich der Behördenakte am 16.3.2018 zugestellt. Die AG setzte dem AG eine Frist zur Vorlage des Führerscheins von einer Woche ab Zustellung des Bescheids (vgl. Ziff. 2 des Bescheids vom 15.3.2018). Am 22.3.2017 legte der ASt. ausweislich der Behördenakte seinen Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde zur Eintragung eines Sperrvermerks vor. Der Führerschein wurde somit innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt. Die Zwangsgeldandrohung hat sich damit erledigt. Da die AG nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie das angedrohte Zwangsgeld gleichwohl vollstrecken will, fehlte dem ASt. bereits bei der Einleitung des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, als sich dieser Antrag auf Ziff. 4 des Bescheids bezog (vgl. BayVGH, Beschl. v. 29.10.2009 – 11 CS 09.1968, juris Rn 22 ff.; BayVGH, Beschl. v. 26.4.2012 – 11 CS 12.650, juris Rn 13).
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheids der AG vom 15.3.2018 ist dagegen zulässig und begründet und führt daher zum Erfolg.
a) Die AG, die die sofortige Vollziehung angeordnet hat, hat das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung zwar hinreichend begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ist in den Fällen, ...