ZPO § 60
Leitsatz
Macht der Käufer eines Kfz gegen den Verkäufer Ansprüche wegen eines behaupteten Sachmangels (hier: im Fahrbetrieb abgeschalteter Abgasreinigungseinrichtungen) und gegen den Hersteller des Fahrzeugs Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend, die auf die Vortäuschung eines mangelfreien Zustands gestützt werden, können Verkäufer und Hersteller als Streitgenossen gemeinschaftlich verklagt werden.
BGH, Beschl. v. 6.6.2018 – X ARZ 303/18
Sachverhalt
Der in Dillingen wohnhafte Kl. macht gegen die Bekl. zu 1), eine in Aalen ansässige Kfz-Händlerin, die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Dieselfahrzeug der Marke VW geltend und gegenüber der in Wolfsburg ansässigen Bekl. zu 2), der Herstellerin des Fahrzeuges, die Feststellung der Einstandsplicht für aus der Beschaffenheit der Abgaseinrichtungen des Fahrzeuges resultierende Schäden. Der Kl. hat geltend gemacht, das Fahrzeug auch wegen des angegebenen Schadstoffausstoßes gekauft zu haben. Da die Fahrzeugeinrichtungen zur Abgasreinigung mit Wissen und Billigung des Vorstandes der Bekl. zu 2) manipuliert worden seien, so dass die tatsächlichen Abgaswerte nicht ausgewiesen worden seien, folge hieraus die Haftung beider Bekl.
Der Kl. hat beide Bekl. vor dem LG Ellwangen verklagt. Das LG hat seine Zuständigkeit für die gegen die Bekl. zu 2) gerichtete Klage verneint. Im Hinblick auf einen Beschluss des OLG Nürnberg, der in einer vergleichbaren Konstellation die Voraussetzungen einer zulässigen Streitgenossenschaft zwischen Hersteller und Händler verneint hatte, sah sich das zur Bestimmung des Gerichtstandes angerufene OLG Stuttgart an einer Entscheidung gehindert und legte die Sache dem BGH zur Bestimmung des Gerichtsstades vor. Der BGH bestimmte das LG Ellwangen als zuständiges Gericht auch für die Klage gegen die Bekl. zu 2).
2 Aus den Gründen:
"… [4] II. Die Vorlage ist zulässig."
[5] Nach § 36 Abs. 3 S. 1 ZPO hat ein OLG, wenn es bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will, die Sache dem BGH vorzulegen. Diese Voraussetzung ist gegeben.
[6] 1. Das nach § 36 Abs. 2 ZPO zur Zuständigkeitsbestimmung berufene OLG Stuttgart will seiner Entscheidung zugrunde legen, dass zwischen den auf die Beschaffenheit des Fahrzeugs gestützten Ansprüchen gegen den Verkäufer und den Hersteller ein für die Annahme einer Streitgenossenschaft nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 59, 60 ZPO hinreichender innerer sachlicher Zusammenhang besteht. Darin läge eine Abweichung von dem Beschl. des OLG Nürnberg vom 25.4.2017 (1 AR 749/17, BeckRS 2017, 145088), das für eine entsprechende Konstellation die Voraussetzungen für eine Streitgenossenschaft verneint hat.
[7] 2. Für die Zulässigkeit der Vorlage reicht es aus, dass die für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage nach der Auffassung des vorlegenden OLG entscheidungserheblich ist und dies in den Gründen des Vorlagebeschlusses nachvollziehbar dargelegt wird. So verhält es sich hier. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der BGH die Frage ebenfalls als entscheidungserheblich ansieht (vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn 6).
[8] 3. Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, dass die Rechtsfrage das Vorliegen einer Streitgenossenschaft und damit bereits eine der Voraussetzungen betrifft, unter denen eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO überhaupt zulässig ist. Die auf die Wendung "bei der Bestimmung" verweisende Auffassung, dass eine Vorlage in solchen Fällen nicht in Betracht komme (OLG Koblenz NJW 2006, 3723 [3724] zu dem Erfordernis des fehlenden gemeinsamen Gerichtsstands), entspricht nicht der Rechtsprechung des BGH (s. nur BGH NJW-RR 2011, 929). Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind als rechtliche Vorfragen derart eng mit den für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Erwägungen verknüpft, dass Divergenzen bei solchen Rechtsfragen ebenfalls das Vorlageverfahren nach § 36 Abs. 3 ZPO eröffnen.
[9] III. Als zuständiges Gericht bestimmt der Senat das LG Ellwangen.
[10] 1. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt.
[11] a) Die Bekl. werden als Streitgenossen i.S.v. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
[12] Die hier allein in Betracht kommende Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO setzt voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Die Vorschrift ist, wovon der Vorlagebeschluss und der Beschl. des OLG Nürnberg übereinstimmend ausgeben, grds. weit auszulegen. Es genügt, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH NJW-RR 1991, 381; NJW-RR 2011, 1137 Rn 18).
[13] Die gegen den Verkäufer und den Hersteller gerichteten Ansprüche sind ihrem Inhalt nach gleichartig, weil sie jeweils darauf gerichtet sind, den Kl. von den Folgen seiner Kaufentscheidung zu befreien. Sie werden auf einen im Wesentlichen...