BGB § 840 Abs. 3; StVG § 7 § 17 § 18; StVO § 1 Abs. 2 § 2 Abs. 2
Leitsatz
1. Sowohl beim Vorbeifahren wie beim Überholen hat ein Kraftfahrer zu einem Tier einen Seitenabstand von wenigstens 1,5 bis wenigstens 2 m einzuhalten, da mit einer plötzlichen Reaktion des Tieres zu rechnen ist.
2. Das Befahren des Banketts ist gestattet, wenn es sich als vernünftige und sachgerechte Maßnahme darstellt.
3. Bei einem Unfallereignis zwischen Kfz und Tier ist eine Mithaftung des Tierhalters aus § 833 S. 1 BGB ausgeschlossen, wenn den Mitverursacher über die Gefährdungshaftung gem. § 7 StVG hinaus eine Verschuldenshaftung trifft. Trifft auch den Tierhalter oder Tierhüter ein unfallursächliches Verschulden, scheidet die Haftungsprivilegierung des Tierhalters aus und ist eine Haftungsteilung vorzunehmen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Celle, Urt. v. 10.4.2018 – 14 U 147/17
Sachverhalt
Die damals 13 Jahre alte Tochter der Kl. ritt auf der 6-jährigen Ponystute der Kl. auf der rechten Fahrbahnseite der Verlängerung des S-Wegs in S. Diese bildet eine einspurige Fahrbahn mit Randstreifen auf beiden Seiten.
Der Tochter der Kl. und deren Pferd kam der Bekl. zu 1) mit einem Lkw, bestehend aus Zugmaschine und Anhänger der Bekl. zu 2), der bei der Bekl. zu 3) haftpflichtversichert ist, entgegen. Die Tochter der Kl. parierte ihr Pferd zu halten und stellte es auf den Seitenstreifen leicht schräg mit dem Kopf des Pferdes in Richtung Fahrbahn, als sich der Lkw näherte, wobei sie auf dem Pferd sitzen blieb. Der Bekl. zu 1) reduzierte die Geschwindigkeit des Lkw und steuerte das Fahrzeug nach rechts auf der asphaltierten Fahrbahn. Beim Passieren von Pferd und Reiterin durch den Lkw zur Hälfte scheute das Pferd und wurde dabei so schwer verletzt, dass es eingeschläfert werden musste. Ungeklärt geblieben ist es, ob es zu einer Berührung des Pferdes mit dem Lkw gekommen ist.
Zur Begründung der Klage auf Erstattung der Behandlungskosten und des Wertes des Pferdes hat die Kl. ein unfallursächliches Fehlverhalten des Bekl. zu 1) darin gesehen, dass er den Lkw nicht auf den in seiner Fahrtrichtung rechten befestigten Seitenstreifen gesteuert habe und hierdurch den notwendigen Sicherheitsabstand von 1,5–2 m nicht eingehalten habe. Der Bekl. zu 1) habe beim Vorbeifahren durch Gasgeben das Pferd erschreckt, was für den Unfall ursächlich geworden sei. Die Bekl. haben ein Fehlverhalten des Bekl. zu 1) in Abrede gestellt und ein Mitverschulden der Kl. darin gesehen, ihrer erst 13 Jahre alten Tochter ein junges Pferd zur Bewegung im Straßenverkehr überlassen zu haben. Ein Mitverschulden der Tochter der Kl. habe deshalb vorgelegen, weil sie nicht abgestiegen sei und das Tier an der Trense gehalten habe. Das LG hat nach Vernehmung von Zeugen, der Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens und eines Verkehrswertgutachtens unter Ansetzung eines der Kl. zuzurechnenden Mitverschuldens ihrer Tochter in Höhe der Hälfte des Schadens einen Betrag von 4.185,54 EUR zugesprochen. Die Berufung der Kl. auf Verurteilung zur Zahlung in voller Höhe blieb erfolglos.
2 Aus den Gründen:
"… [16] Die zulässige Berufung der Kl. hat in der Sache keinen Erfolg."
[17] Das LG hat im Ergebnis zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Kl. gegen die Bekl. gem. §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG unter Berücksichtigung eines Mithaftungsanteils von 50 % bejaht.
[18] 1. Vom Ansatz her zu Recht rügt die Kl. allerdings, dass das LG offenkundig die Vorschrift des § 840 Abs. 3 BGB nicht in die vorgenommene Bewertung des Sachverhalts eingestellt hat.
[19] Nach der zwar kritisierten (vgl. Vieweg, in: Staudinger, BGB [2015], § 840 Rn 82 ff.), aber wohl st. Rspr. der Obergerichte (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1994 – VI ZR 107/94; OLG Schleswig, Urt. v. 29.6.1989 – 16 U 201/88, jeweils in juris; OLG Hamm, Urt. v. 8.2.1990 – 6 U 143/89, NJW-RR 1990, 794) ist eine Mithaftung des Tierhalters aus § 833 S. 1 BGB i.d.R. ausgeschlossen, wenn den Mitverursacher des Schadens nicht nur eine Gefährdungshaftung – hier gem. § 7 Abs. 1 StVG –, sondern auch eine Verschuldenshaftung aus § 823 Abs. 1 BGB trifft. Auf letztere findet der in § 840 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke entsprechende Anwendung. Dieser geht dahin, dass dann, wenn auf Seiten des einen Schädigers nur ein Fall der Gefährdungshaftung, auf Seiten des Mitschädigers jedoch eine Haftung aus Verschulden vorliegt, im Verhältnis der beiden letzterer allein für den Schaden aufzukommen hat (RGZ 71, 7; Palandt, BGB, 77. Aufl., § 840 Rn 12).
[20] Die Entscheidung des OLG Hamm (Urt. v. 25.2.2002 – 6 U 139/01, juris) steht dem nicht entgegen, da es dort um den Schadensersatzanspruch eines Kfz-Halters, der den Unfall schuldhaft mitverursacht hat, gegen einen Tierhalter ging. Dann soll § 840 Abs. 3 BGB nicht anwendbar sein. Vorliegend geht es jedoch um den Anspruch des Tierhalters gegen den Kfz-Halter.
[21] 2. Die Bekl. haften vorliegend für den Unfall nicht nur aus der Betriebsgefahr des Lkw, sondern auch aus dem schuldhaften Verstoß des Bekl. zu 1) gegen das Seitenabstandsgebot gem. § 1 A...