ARB 2008 § 4 Abs. 3 Buchst. a); BGB § 307
Leitsatz
Die sog. Vorerstreckungsklausel des § 4 Abs. 3 Buchst. a) der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2008) ist intransparent.
BGH, Urt. v. 4.7.2018 – IV ZR 200/16
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von seinem beklagten Rechtsschutzversicherer die Bestätigung von Versicherungsschutz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung im Streit mit einer Bank um die Wirksamkeit eines Widerrufs seiner auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Vertragserklärung. Dem seit April 2010 bestehenden Vertrag liegen die ARB 2008 zugrunde.
Darin heißt es u.a.:
"§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz"
(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls
a) im Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2a) (…).
b) im Beratungs-Rechtsschutz für Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht gemäß § 2k) (…).
c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
Die Voraussetzungen nach a) bis c) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes gem. § 7 und vor dessen Beendigung eingetreten sein. (…)
(2) Erstreckt sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum, ist dessen Beginn maßgeblich. Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mehrere Rechtsschutzfälle ursächlich, ist der erste entscheidend, wobei jedoch jeder Rechtsschutzfall außer Betracht bleibt, der länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten oder, soweit sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum erstreckt, beendet ist.
(3) Es besteht kein Rechtsschutz, wenn
a) eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Absatz 1c) ausgelöst hat (…).“
Bereits am 9.7.2008 hatte der Kl. mit einer Bank einen Vertrag über drei Darlehen zur Finanzierung eines Grundstückskaufs abgeschlossen und nachfolgend zunächst die vereinbarten Zins- und Tilgungsraten gezahlt.
Unter dem 10.12.2014 erbat er von der Bekl. eine Deckungszusage für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung im Zusammenhang mit dem Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Vertragserklärungen. Die Bekl. lehnte dies ab. Mit Schreiben an die Bank vom 20.3.2015 widerrief der Kl. seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Vertragserklärung und machte dabei geltend, er könne das Widerrufsrecht infolge einer rechtlich unzureichenden Widerrufsbelehrung nach wie vor ausüben. Nachfolgend wies die Bank den Widerruf als verspätet zurück.
2 Aus den Gründen:
"… 1. Zutreffend legt das BG seiner Entscheidung zugrunde, dass der Rechtsschutzfall erst in versicherter Zeit durch die Weigerung der Bank eingetreten ist, die Wirksamkeit des vom Kl. erklärten Widerrufs anzuerkennen."
Für die Festlegung des dem Vertragspartner des VN vorgeworfenen Pflichtenverstoßes i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) ARB 2008 ist der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der VN diesen Verstoß begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der VN seinen Anspruch herleitet (vgl. Senat r+s 2015, 193 = VersR 2015, 485 Rn 10, 15 m.w.N.; r+s 2013, 283 = VersR 2013, 899 Rn 12 m.w.N.; VersR 2005, 1684 unter I. 2 und 3; VersR 2003, 638 unter 1a).
Die insoweit vom Senat für die Weigerung eines Lebensversicherers, das Widerrufsrecht des VN anzuerkennen, aufgestellten Grundsätze lassen sich auf die Weigerung der Bank, das Widerrufsrecht des Darlehens- und Versicherungsnehmers anzuerkennen, übertragen. Auch im Streitfall begründet der Kl. sein Begehren nach Rechtsschutz von vornherein mit dem Vorwurf, seine Anspruchsgegnerin bestreite zu Unrecht seine Berechtigung, die Darlehensvertragserklärungen noch zu widerrufen. Dieser der Anspruchsgegnerin angelastete Verstoß liegt in versicherter Zeit.
2. Zu Recht geht das BG weiter davon aus, dass die nach der Behauptung des Kl. fehlerhafte Widerrufsbelehrung keinen Versicherungsfall i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. c) ARB 2008 darstellt. Die unzureichende Belehrung über sein Widerrufsrecht wirft der Kl. seiner Anspruchsgegnerin nicht als Pflichtenverstoß vor, der – ähnlich einer Schadensersatzleistung – durch eine Ersatzleistung kompensiert werden müsste (vgl. dazu Senat r+s 2013, 283 Rn 16). Dem Kl. geht es nicht darum, nachträglich eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt zu bekommen, er möchte vielmehr den Darlehensvertrag rückabwickeln und dazu geltend machen, ihm sei das Widerrufsrecht erhalten geblieben. Unter Zugrundelegung dessen liegt der der Anspruchsgegnerin vom Kl. vorgeworfene Pflichtenverstoß erst im Bestreiten der Fortgeltung dieses Widerrufsrechtes.
3. Da die Widerrufsbelehrung mithin keinen Rechtsschutzfall begründen konnte, trifft es auch zu, dass die Jahresfrist des § 4 Abs. 2 S. 2 ARB 2008 für die Entscheidung keine Bedeutung hat.
4. Zu Unrecht hat das BG aber angenommen,...