BGB § 249
Leitsatz
Eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nach unfallbedingter Beschädigung eines Kfz ist nach einer Zulassungsdauer von acht Wochen und einer zurückgelegten Laufleistung von 3.300 km ausgeschlossen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 10.4.2018 – 9 U 5/18
Sachverhalt
Das LG hatte unter Zugrundelegung der sich aus dem Leitsatz ergebenden Zulassungsdauer und der zurückgelegten Laufleistung eine Abrechnungsmöglichkeit auf Neuwagenbasis verneint. Dem folgte der Senat.
2 Aus den Gründen:
"… Dabei kann letztlich offen bleiben, ob hier eine insoweit grundsätzlich hinreichend erhebliche Beschädigung des Fahrzeugs vorliegt. Nach einstimmiger Auffassung des Senats kann auch unter Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung und nach heutiger wirtschaftlicher Verkehrsanschauung ein Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt bereits knapp 3.300 km gefahren wurde und bereits über sechs Wochen zugelassen war, jedenfalls nicht mehr als Neuwagen angesehen werden, bei dem ausnahmsweise im Falle einer erheblichen Beschädigung bei der Berechnung des ersatzfähigen Schadens auch der “Schmelz der Neuwertigkeit' zugunsten des Geschädigten zu Buche schlagen kann. Ein Blick auf den Markt von sehr jungen Gebrauchtwagen bzw. Fahrzeugen mit Tageszulassung auch im hochpreisigen Fahrzeugsegment bestärkt den Senat in dieser Würdigung. Die Kl. ist vorliegend bereits auf Wiederbeschaffungsaufwandsbasis entschädigt worden, hat also im Wege des Schadensersatzes die Mittel zur Beschaffung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren unfallfreien Fahrzeugs erhalten. Der Senat vermag einstimmig keinen Grund zu erkennen, warum der Kl. hier darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anschaffung eines höherwertigen Neufahrzeuges zustehen sollte, zumal es sich vorliegend um ein Firmenfahrzeug handelt. Ferner sieht der Senat – ebenfalls einstimmig – keinen Anlass, die aus Gründen der Rechtssicherheit von der Rspr. sinnvollerweise entwickelten Faustregeln zur gebotenen engen Begrenzung der Ausnahmefälle, in denen der Schaden auf Neuwagenbasis abgerechnet werden kann, generell in Frage zu stellen und deshalb etwa die Revision zuzulassen."
Soweit das LG der Kl. auch die von dieser hilfsweise geltend gemachte fiktive Abrechnung auf Basis der (den Wiederbeschaffungsaufwand) übersteigenden Reparaturkosten zzgl. Wertminderung versagt hat, ist dies ebenfalls zutreffend und wird dies von der Berufung auch nicht angegriffen. Eine derartige fiktive Schadensabrechnung scheidet hier in der Tat deshalb aus, weil die Kl. das verunfallte und nicht mehr fahrbereite Fahrzeug in keiner Weise repariert und dementsprechend auch nicht weitergenutzt, sondern unrepariert veräußert hat (vgl. dazu allgemein nur Palandt/Grüneberg, 77. Aufl., § 249 Rn 24 m.w.N.). …“
3 Anmerkung:
Zu den Voraussetzungen der Abrechnung auf Neuwagenbasis vgl. LG Hagen zfs 2007, 386 m. Anm. Diehl; zum Ausschluss der fiktiven Abrechnung auf Neuwagenbasis vgl. BGH zfs 2010, 22 m. Anm. Diehl.
Da eine Abrechnung auf Neuwagenbasis nur bei einer Anschaffung eines Neuwagens möglich ist (vgl. BGH NJW 2009, 2022; Gsell NJW 2009, 2994), ist der Versuch unternommen worden, im Wege des Feststellungsbegehrens eine Ersatzpflicht des Schädigers für den Fall der Ersatzanschaffung "festschreiben" zu lassen (vgl. OLG Celle NJW-RR 2016, 990). Im Regelfall wird das an zeitlichen Grenzen (zu hoher Abstand zwischen Unfall und Neuwagenkauf) und zu hoher Lauleistung (über 4.200 km) scheitern (OLG Celle a.a.O.).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 9/2018, S. 503