BGB § 164 § 1356 § 1357 § 1360a Abs. 1; VVG § 8
Leitsatz
Der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug der Ehegatten kann ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S.v. § 1357 Abs. 1 BGB sein. Gleiches gilt für die Kündigung eines solchen Vertrags.
BGH, Urt. v. 28.2.2018 – XII ZR 94/17
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl. auf Leistung aus einem Vertrag über eine Vollkaskoversicherung in Anspruch. Die Kl. unterhielt bei der Bekl. eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug der Marke BMW 525 d. Mit einem vom Ehemann unterzeichneten Schreiben vom 22.12.2014 wurde die Vollkaskoversicherung zum 1.1.2015 gekündigt. Hierauf fertigte die Bekl. einen – die Vollkaskoversicherung nicht mehr enthaltenden – Versicherungsschein vom 22.12.2014 aus, der eine Widerrufsbelehrung enthielt, und erstattete überschießend geleistete Beiträge.
Das versicherte Fahrzeug wurde am 5.10.2015 bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Die Reparaturkosten belaufen sich auf insgesamt 12.601,28 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Mit Schreiben vom 14.1.2016 widerrief die Kl. die Kündigung der Vollkaskoversicherung.
2 Aus den Gründen:
"… Die Revision hat keinen Erfolg."
A. Das OLG hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Ehemann der Kl. die Vollkaskoversicherung wirksam zum 1.1.2015 gekündigt habe. Für den am 5.10.2015 eingetretenen Versicherungsfall habe daher kein Versicherungsschutz mehr bestanden. Der Ehemann der Kl. sei gem. § 1357 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen, den von der Kl. geschlossenen Versicherungsvertrag – auch mit Wirkung für die Kl. – zu kündigen. § 1357 BGB erlaube jedem Ehegatten allein nicht nur die Begründung von Rechten und Pflichten mit Wirkung für und gegen den Partner, sondern auch deren Abänderung mit Wirkung für beide Ehegatten. Hieraus folge, dass der Ehemann der Kl. den von ihr geschlossenen Vertrag über die Vollkaskoversicherung auch mit Wirkung für die Kl. habe kündigen können. Ihrer Mitwirkung habe es hierzu nicht bedurft.
B. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
I. Das OLG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die von ihrem Ehemann erklärte Kündigung nicht nach den Regeln der Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB der Kl. zuzurechnen ist.
Zwar hat der Ehemann offensichtlich im Namen der Kl. gehandelt, weil das von ihm unterzeichnete Kündigungsschreiben im Briefkopf (ausschließlich) den Namen der Kl. aufweist. Jedoch hat weder das OLG feststellen können noch die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Bekl. (…) dargelegt, dass die Kl. ihren Ehemann hierzu bevollmächtigt habe. Auch zu den Voraussetzungen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht sind keine Feststellungen getroffen. Eine gesetzliche Vertretungsmacht unter Ehegatten kennt das Bürgerliche Gesetzbuch indes nicht. (…)
II. Das OLG hat zudem in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass der Ehemann die Vollkaskoversicherung gem. § 1357 Abs. 1 BGB auch mit Wirkung für die Kl. wirksam gekündigt hat.
1. Entgegen der Auffassung der Revision steht es der Anwendung des § 1357 Abs. 1 BGB nicht entgegen, dass der Ehemann die Kündigung nach den äußeren Umständen ersichtlich im Namen der Kl. ausgesprochen hat. Bei ausdrücklichem Handeln im Namen des Ehegatten kommt es regelmäßig über § 1357 Abs. 1 BGB auch zu einer Mitverpflichtung des handelnden Ehegatten, es sei denn, der Ausschluss der eigenen Mitverpflichtung ist eindeutig offengelegt (Senat BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576). Solches hat das OLG nicht festgestellt.
2. Freilich kann die Kündigung der Vollkaskoversicherung nur in den Anwendungsbereich des § 1357 BGB fallen, wenn das mit ihr korrespondierende Grundgeschäft, also der Abschluss der Vollkaskoversicherung selbst, ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S.v. § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB wäre. Hiervon ist das OLG auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht ausgegangen.
a) Gemäß § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Nach § 1357 Abs. 1 S. 2 BGB werden durch solche Geschäfte beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.
aa) Die auf dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 (BGBl I, S. 1421, 1422) beruhende Fassung der Vorschrift knüpft nicht mehr an die nach früherem Recht bestehende Pflicht der Frau an, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen (§ 1356 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) und ihr dementsprechend die Berechtigung zu geben, Geschäfte innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises mit Wirkung für den Mann zu besorgen (“Schlüsselgewalt' – grundlegend dazu Senat BGHZ 94, 1 = FamRZ 1985, 576, 577; s. auch BGH FamRZ 2004, 778 m.w.N.). Denn § 1356 BGB überlässt die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft den Partnern selbst.
Die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners, die § 1357 BGB nunmehr jedem der...