Nach früherer Gesetzeslage (vor 2009) konnte das Anfangsvermögen eines Ehegatten niemals negativ sein. Schulden, die ein Ehegatte mit in die Ehe brachte und die wirtschaftlich zu einer negativen Vermögensbilanz führten, blieben bei der Berechnung des Zugewinns außen vor. Nach der früheren Rechtslage konnten Verbindlichkeiten nur bis zur Höhe des Vermögens abgezogen werden, sodass das Anfangsvermögen rechnerisch immer mindestens Null betrug. Damit ging auch der verschuldete Ehegatte im Rahmen der Zugewinnberechnung stets zumindest mit +/- 0,00 EUR in die Ehe. Hatte er während der Ehe sog. "privilegierten Erwerb" - etwa eine Erbschaft - zu verzeichnen, so war sein Anfangsvermögen sogar positiv, da der privilegierte Erwerb nach der Rechtsprechung des BGH nicht mit den Schulden zu verrechnen war (BGHZ 129, 311 = NJW 1995, 2165 = FamRZ 1995, 990).
Hatte ein Ehepartner im Laufe der Ehe - außerhalb der nach § 1374 Abs. 2 BGB privilegierten Erwerbstatbestände - mit seinem hinzu erworbenen Vermögen nur seine Schulden getilgt, so musste er diesen Vermögenszuwachs bislang nicht ausgleichen. Benachteiligt war dagegen ein Ehegatte, der die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten getilgt und zusätzlich eigenes "positives" Vermögen erwirtschaftet hatte. Hier blieben nicht nur die Schuldentilgung und der damit verbundene Vermögenszuwachs des Partners unberücksichtigt; der Ehegatte musste bei Beendigung des Güterstandes darüber hinaus unter Umständen auch noch das eigene Vermögen teilen.
Diese den ausgleichspflichtigen Ehepartner benachteiligende Unzuträglichkeit wurde 2009 abgeschafft. Ein negatives Anfangsvermögen wird seit dann in der Zugewinnberechnung berücksichtigt und somit der wahre wirtschaftliche Zugewinn erfasst.
Der Ehemann hat vor der Hochzeit sein gesamtes Vermögen in die Gründung seiner Anwaltskanzlei gesteckt und dazu auch einen Kredit in Höhe von 30.000 EUR aufgenommen. Bei der Scheidung hatte er den Kredit zurückgezahlt und zusätzlich ein Endvermögen von 50.000 EUR angehäuft. Die Ehefrau war schuldenfrei in die Ehe gegangen und hat als Architektin einen Zugewinn von 80.000 EUR erzielt.
Durch die Berücksichtigung des negativen Anfangsvermögens wird der wahre wirtschaftliche Zugewinn eines jeden Ehegatten erfasst. Dieser beträgt bei M nach wirtschaftlicher Betrachtung ebenfalls 80.000 EUR. Damit stehen sich bei M und F gleich große Zugewinne gegenüber, sodass keiner von beiden einen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat.
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Anfangsvermögen |
Endvermögen |
Zugewinn |
Ausgleichsforderung |
wirtschaftliche Berechnung |
M: |
-30.000 |
50.000 |
80.000 |
0 |
F: |
0 |
80.000 |
80.000 |
0 |
Berechnung |
M: |
-30.000 |
50.000 |
80.000 |
0 |
F: |
0 |
80.000 |
80.000 |
0 |
Privilegierter Erwerb eines Ehegatten wird nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen des Empfängers hinzugerechnet und so aus dem Zugewinn ausgenommen. Es sollen dadurch solche Vermögensbestandteile einer Ausgleichspflicht entzogen werden, die in keinem Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft stehen, sondern die auf der besonderen persönlichen Beziehung des Empfängers zum Zuwender beruhen, an denen der andere Ehepartner keinen Anteil hat (eheneutraler Erwerb). Privilegierte Erwerbstatbestände sind der ehezeitige ("während der Ehe") Erwerb :
- von Todes wegen
- mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht
- durch Schenkung
- als Ausstattung (§ 1624 BGB)
Derartige Erwerbe können mit Schulden verrechnet werden. Es erfolgt sowohl die Verrechnung von positivem privilegiertem Erwerb mit negativem Anfangsvermögen als auch die Verrechnung von negativem privilegiertem Erwerb mit ansonsten positivem Anfangsvermögen.
M hat ein Anfangsvermögen von 60.000 EUR und ein Endvermögen von 100.000 EUR. F ist vermögenslos, aber schuldenfrei. Sie hätte also einen Ausgleichsanspruch von 20.000 EUR (Hälfte von 100.000 – 60.000). M nimmt aber nach der Eheschließung das mit 50.000 EUR Schulden belastete Erbe seiner Mutter an. Nach geltendem Recht vermindert sich dadurch gemäß § 1375 Abs. 1 BGB das Endvermögen von 100.000 auf 50.000 EUR, während sich das Anfangsvermögen nach allgemeiner Ansicht nicht vermindert. Bei Berücksichtigung der Schulden als negatives Anfangsvermögen vermindert sich zwar ebenfalls das Endvermögen auf 50.000 EUR. Gleichzeitig geht aber sein fiktives Anfangsvermögen von 60.000 EUR auf 10.000 EUR zurück, so dass F einen Ausgleichsanspruch von 20.000 EUR hat (Hälfte von 50.000 – 10.000).
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Anfangsvermögen |
Endvermögen |
Zuwachs (wirtschaftlich) |
Zugewinn (rechtlich) |
Ausgleichsforderung |
Ohne Erbschaft |
M: |
60.000 |
100.000 |
+ 40.000 |
40.000 |
0 |
F: |
0 |
0 |
0 |
0 |
20.000 |
Mit Erbschaft |
M: |
10.000 (60.000 - 50.000) |
50.000 (60.000 - 50.000 + 40.000) |
+ 40.000 |
40.000 |
0 |
F: |
0 |
0 |
0 |
0 |
20.000 |
Für den Erwerber führt die Berücksichtigung negativen privilegierten Vermögens nicht zu unangemessenen Nachteilen: § 1378 Abs. 2 BGB bewirkt, dass er nicht mehr als den Wert des vorhandenen Endvermögens als Zugewinnausgleich zahlen muss, auch dann, wenn der wirtschaftliche Zugewinn durch die Berücksichtigung des n...