Leitsatz
Das Verbot der Sternsozietät gilt auch für eine Anwalts-AG. Es ist nicht verfassungswidrig.
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine Rechtsanwalts-AG in Gründung. Aktionäre sind Rechtsanwälte, darunter einer mit Kanzleisitz in Frankreich. Gegenstand der AG ist "die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung durch Übernahme von Rechtsanwaltsaufträgen, deren Ausführung durch die im Dienste der Gesellschaft stehenden, zugelassenen Rechtsanwälte, die unabhängig und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts erfolgt" sowie "die Berufstätigkeit im Dienste der Gesellschaft stehender Angehöriger anderer Berufe im Rahmen ihrer eigenen berufsrechtlichen Befugnisse, mit denen sich Rechtsanwälte nach ihrem Berufsrecht verbinden können".
Die Aktien lauten auf den Namen. Nach der Satzung kann der Vorstand die Zustimmung zur Verfügung über Aktien verweigern, wenn "die Zulassung zur Folge hätte, dass Personen Aktionäre werden, die nicht zugleich selbst bzw. durch ihre Sozietät Mitglied der D sind". Nach der Satzung kann eine Aktie ohne Zustimmung des Aktionärs eingezogen werden, wenn der "Aktionär nicht mehr selbst oder durch seine Sozietät Mitglied der D ist".
Die Anwaltskammer hat die Zulassung mit der Begründung versagt, eine Rechtsanwalts-AG könne nicht zugelassen werden, außerdem verstoße die Satzung gegen das Verbot der Sternsozietät. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Die Beschwerde blieb erfolglos.
Entscheidung
Der BGH teilt zwar nicht die Bedenken der Anwaltskammer gegen die Zulassung einer Anwalts-AG und verweist hierzu auf seine mittlerweile entgegenstehende Rechtsprechung. Die dort festgelegten Grundsätze, die eine Rechtsanwalts-AG beachten muss, sieht er im konkreten Fall aber nicht als erfüllt an.
Nach der Satzung können auch Rechtsanwälte Aktionäre sein, die – außer an der Antragstellerin – auch an Sozietäten beteiligt sind. Dies widerspricht dem Berufsrecht. Nach § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO darf sich ein Rechtsanwalt mit anderen Angehörigen sozietätsfähiger Berufe in einer Sozietät zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden. Das Wort "einer" ist hier nicht als unbestimmter Artikel, sondern als Zahlwort zu verstehen. Dies hat der Gesetzgeber in § 59e Abs. 2 BRAO bekräftigt. Danach ist es den Gesellschaftern untersagt, ihren in einer Anwalts-GmbH ausgeübten Beruf in einem weiteren beruflichen Zusammenschluss auszuüben. Solche "konzernähnlichen" Strukturen werden verbreitet missbilligt.
Anders als die Literatur hält der BGH die berufsrechtlichen Regelungen nicht für verfassungswidrig, weil die in Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit nach seiner Auffassung nicht tangiert wird und sich das Verbot auf beachtliche Gründe des Gemeinwohls stützen lässt. Denn eine Anwaltschaft, die zu erheblichen Teilen aus angestellten Rechtsanwälten in anonymen konzernähnlich verflochtenen Kapitalgesellschaften bestünde, wäre weder frei noch unabhängig. Zudem möchte ein Mandant nach Meinung des Senats ohne komplizierte Nachfrage wissen, wem er die Wahrnehmung seiner Belange anvertraut und ob der Beauftragte nicht zugleich widerstreitende Interessen vertritt oder auf sonstige Weise in der Gefahr einer Interessenkollision steht. Der Rechtsuchende, der sich verschachtelten intransparenten Rechtsanwaltsgesellschaften gegenübersähe, müsste befürchten, dass für ihn unerkennbare Rücksichtnahmen und Interessenkollisionen die Qualität der rechtlichen Dienstleistung beeinflussen und mindern können.
Den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sieht das Gericht ebenfalls als nicht verletzt an. Zwar sind Wirtschaftsprüfer nicht auf die Tätigkeit in einer Sozietät beschränkt, können also auch mehreren Sozietäten angehören. Einem Steuerberater ist es ebenso wenig verwehrt, sich an mehreren Steuerberatungsgesellschaften zu beteiligen, weil das StBerG keine diesbezügliche Verbotsnorm enthält. Eine diese Ungleichbehandlung rechtfertigende Begründung sieht der Senat aber darin, dass sich Rechtsanwälte schwerpunktmäßig mit rechtlichen Konfliktsituationen befassen, in denen auch die Gegenseite anwaltlich vertreten ist, während Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nur ausnahmsweise in solchen Lagen tätig werden. Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Rechtslage zur Zulassung von Anwalts-AG und anderen alternativen Gesellschaftsformen zur Zeit im Fluss ist und das gesamte Rechtsberatungsrecht in absehbarer Zeit neu geregelt werden wird. Bis zum Abschluss dieses Entscheidungsprozesses will der BGH auch mögliche Ungleichbehandlungen tolerieren.
Link zur Entscheidung
BGH-Beschluss vom 14.11.2005, AnwZ (B) 83/04