Leitsatz
Das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare einschließlich des Verbots der "quota litis" ist mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung insoweit nicht vereinbar, als es keine Ausnahme für den Fall zulässt, dass der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, wurde 1990 von zwei in den USA lebenden Mandanten beauftragt, ihre Ansprüche auf ein in Dresden gelegenes Grundstück durchzusetzen, das die Nationalsozialisten per Enteignung ihrer Familie erlangt hatten. Die Anwältin sollte als Honorar ein Drittel des erstrittenen Betrags erhalten. Sie erwirkte zugunsten ihrer Mandanten eine Entschädigung von 312000 DM und erhielt absprachegemäß 104000 DM. Das Anwaltsgericht sah in der Vergütung einen Verstoß gegen die Grundpflichten eines Rechtsanwalts, erteilte der Beschwerdeführerin daher einen Verweis und verurteilte sie zu einer Geldbuße von 25000 EUR, die der Anwaltsgerichtshof auf 5000 EUR herabsetzte. Ihre Verfassungsbeschwerde war teilweise erfolgreich.
Entscheidung
Die BRAO untersagt Rechtsanwälten Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Berufsangehörige einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält. Dieses gesetzliche Verbot ist mit Art. 12 GG insoweit nicht vereinbar, als das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht und das Verbot damit selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen.
Mit dem Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare verfolgt der Gesetzgeber Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die Beschränkung der Berufsausübung der Rechtsanwälte prinzipiell legitimieren können. Das Verbot dient dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit, die besonders hoch einzustufen ist, weil sie die unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Rechtspflege darstellt. Denn bei der Vereinbarung von Erfolgshonoraren kann die gebotene kritische Distanz des Anwalts zu seinem Mandanten beeinträchtigt sein. Auch könnten erfolgsbasierte Vergütungen Anreize für unredliche Berufsträger schaffen, den Erfolg "um jeden Preis" selbst durch Einsatz unlauterer Mittel anzustreben. Überdies soll der Rechtssuchende vor einer Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze geschützt werden: Immerhin könnte ein unredlicher Rechtsanwalt den Mandanten durch unzutreffende Darstellung der Erfolgsaussichten oder übertriebene Schilderung des zu erwartenden Arbeitsaufwands zur Vereinbarung einer unangemessen hohen Vergütung bewegen. Schließlich schützt das Verbot auch den Beklagten, der im Gegensatz zum Kläger nicht über die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern.
Andererseits stehen auch Rechtsuchende, die auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Prozesskosten- oder Beratungshilfe erhalten, vielfach vor der Entscheidung, die finanziellen Risiken einzugehen, die angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung verbunden sind. Hier besteht die Gefahr, dass Betroffene das Kostenrisiko auf Grund verständiger Erwägungen scheuen und daher von der Verfolgung ihrer Rechte absehen. Für diese Personen ist das Bedürfnis anzuerkennen, das mögliche Risiko durch Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung zumindest teilweise auf den mandatierten Rechtsanwalt zu verlagern. In solchen Fällen fördert die Unzulässigkeit anwaltlicher Erfolgshonorare nicht die Rechtsschutzgewährung, sondern erschwert den Weg zu ihr. Es muss daher von Verfassungs wegen Ausnahmeregelungen für diese Sachverhaltsgestaltungen geben.
Praxishinweis
Der Gesetzgeber muss nach dem Willen des BVerfG bis zum 30.6.2008 eine umfassende Neuregelung treffen. Er hat dabei die Möglichkeit, für die angeführten Fälle spezielle Ausnahmeregelungen zu treffen, Erfolgshonorare allgemein von besonderen Belehrungspflichten des Berufsangehörigen abhängig zu machen oder das gesetzliche Verbot insgesamt zu streichen. Bis dahin bleibt es jedoch anwendbar. Die berufsgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin hat der Senat daher auch nicht beanstandet.
Link zur Entscheidung
BVerfG-Beschluss vom 12.12.2006, 1 BvR 2576/04