Zusammenfassung
Fragen des Arbeitsentgeltrechts sind immer aktuell. Der Fachkräftebedarf und die Entgeltvorstellungen von Bewerbern stehen oftmals nicht im Einklang mit den betrieblichen Entgeltsystemen. Einerseits soll und muss das betriebliche Entgeltsystem konsequent angewandt werden, auf der anderen Seite aber sind manchmal Vergütungswünsche zu erfüllen, die sich nicht in diesem System wiederfinden. In solchen Fällen sind dann außer- und übertarifliche Zulagen das bewährte Mittel, um beiden Anforderungen gerecht zu werden. Dabei stellen sich vor allem folgende Fragen:
- Welche Arten von außer- oder übertariflichen Zulagen gibt es?
- Welche arbeitsrechtlichen Spielregeln gelten für die Kürzung oder Streichung dieser Zulagen?
- Welche arbeitsrechtlichen Spielregeln gelten für die Gewährung dieser Zulagen?
Der Beitrag beantwortet diese Fragen unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung.
Maßgeblich für die Beurteilung ist der jeweils geltende Tarifvertrag oder ggf. die jeweils geltende Betriebsvereinbarung. Eine erhebliche Rolle spielen außerdem das AGB-Recht, die auch im Arbeitsrecht geltenden Generalklauseln, z. B. § 138 BGB, sowie der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und das Entgelttransparenzgesetz.
1 Begriff und Bedeutung übertariflicher und außertariflicher Entgeltbestandteile für die Betriebspraxis
Übertarifliche Zulagen sind dadurch gekennzeichnet, dass zunächst im Betrieb Entgelttarifverträge angewendet werden und daher die Grundvergütung und ggf. auch das Leistungsentgelt des Mitarbeiters tariflich geregelt ist. Vereinzelt wird die Grundvergütung der Beschäftigten auch in Betriebsvereinbarungen geregelt; dies ist bei den Unternehmen zulässig, die noch nie tarifgebunden waren und aktuell nicht tarifgebunden sind. Auch für diese betrieblichen Regelungen gelten die nachstehenden Ausführungen, soweit von freiwilligen, über- oder außertariflichen Zulagen gesprochen wird.
Zu dieser kollektivrechtlich geltenden Grundvergütung wird in vielen Fällen zusätzlich eine freiwillige, frei vereinbarte Zulage gezahlt, die als außertarifliche oder übertarifliche freiwillige Zulage bezeichnet wird. Die Unterscheidung, die in der Praxis aber nicht wirklich angewandt wird, hat das BAG wie folgt beschrieben:
- Eine "außertarifliche" Regelung betrifft Gegenstände, die die einschlägigen tariflichen Bestimmungen überhaupt nicht vorsehen. Dient eine Leistung des Arbeitgebers einem besonderen Zweck, der keine Entsprechung im Tarifvertrag hat, liegt eine außertarifliche Leistung vor.
Eine "übertarifliche"Regelung knüpft dagegen an den Tarifvertrag an, geht aber über die tariflich normierten Mindestbedingungen hinaus.
Beispielsweise liegt eine übertarifliche Zulage vor, wenn eine tarifliche Zahlung betrieblich ergänzt wird, etwa ein tariflich geregelter Nachtzuschlag i. H. v. 20 % betrieblich oder einzelvertraglich auf 30 % erhöht wird.
2 Zweck der außer- oder übertariflichen Zulage
Eine außer- oder übertarifliche Zulage kann aus einer Vielzahl von Gründen mit einzelnen Beschäftigten vereinbart werden.
Diese Zulage kann vereinbart sein als
- frei ausgehandelte Zulage im Einzelfall, um Beschäftigten ein höheres Entgelt zuzusichern als dies die betrieblichen Entgeltregelungen vorsehen,
- Arbeitsmarktzulage, weil Arbeitskräfte zu den üblichen betrieblichen Entgeltbedingungen nicht zu bekommen sind,
- Gebietszulage/Ausgleichszulage, um beispielsweise einen besonderen Aufwand für die Tätigkeit in dem Gebiet auszugleichen,
- Leistungszulage, um besondere Leistungsanreize zu setzen,
- sachbezogene Zulage, beispielsweise um die Kosten für einen besonders langen Anfahrtsweg auszugleichen,
- Potenzial- oder Entwicklungszulage.
In den allermeisten Fällen verzichten die Unternehmen darauf, den Grund für die Gewährung der übertariflichen Zulage festzuschreiben. Es empfiehlt sich jedoch, den Grund/Zweck der übertariflichen Zulage möglichst im Vertrag oder in der entsprechenden Zusage zu benennen. Dies hat jedenfalls den Vorteil, dass der Widerruf der Zulage bei Wegfall des Grundes leichter zu begründen ist.
2.1 Frei ausgehandelte Zulage im Einzelfall
Die frei ausgehandelte Zulage kommt in der Praxis am häufigsten vor. Beispielsweise, wenn die Entgeltvorstellungen von Bewerbern vom Unternehmen bei richtiger betrieblicher oder tariflicher Eingruppierung nicht zu erfüllen wären. Da das Unternehmen einerseits den Bewerber gewinnen, andererseits aber auch die betrieblichen Entgeltregelungen exakt anwenden will und soll, bietet es dem Bewerber den über das zutreffende Tarifentgelt hinaus geforderten Betrag als außer- oder übertarifliche Zulage an; der Bewerber akzeptiert und wird eingestellt.
Im Vertrag könnte die Formulierung über die Zulage wie folgt lauten:
- Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Bruttoentgelt von … EUR, das am Ende eines jeden Kalendermonats nachträglich zahlbar ist.
Zusammensetzung des Entgelts:
- Entgeltgruppe ….
- Grundentgelt … EUR.
- (ggf.) Leistungsentgelt (... % des Grundentgelts =) ... EUR
- Übertarifliche Zulage … EUR.
Der Arbeitgeber behält sich den Widerruf der übertariflichen Zulag...