Leitsatz
Die unbefristete Tätigkeit eines Juristen als Geschäftsführer bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, ist mit der Zulassung zum Anwaltsberuf unvereinbar. Dies gilt zumindest dann, wenn der Betroffene seinen Arbeitgeber auch nach außen vertritt.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist Geschäftsführer einer Kammer. Deren Aufgabe ist es unter anderem, die Berufspflichten der Mitglieder in einer Berufsordnung festzulegen und die Erfüllung dieser Pflichten zu überwachen, soweit nicht für die Überwachung der im öffentlichen Dienst tätigen Mitglieder der Dienstherr zuständig ist. In diesen Funktionen nimmt die Kammer als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung hoheitliche Aufgaben wahr. Der Antragsteller war ursprünglich als Rechtsanwalt zugelassen. Diese Zulassung wurde wegen seiner beruflichen Tätigkeit bei der Kammer widerrufen. Rechtsmittel gegen diesen Widerruf waren erfolglos.
Entscheidung
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Diese Regelung soll die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltsberufs schützen.
Die Zulassung von aktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Rechtsanwaltschaft widerspricht in der Regel diesem Schutzgedanken. In jedem Einzelfall muss daher geprüft werden, ob die gleichzeitige Ausübung des Anwaltsberufs und einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst die Belange der Rechtspflege gefährden kann. Eine derartige Gefahr ist nach Auffassung der Rechsprechung dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt öffentliche Aufgaben von einer Art wahrnimmt, dass das rechtsuchende Publikum den Eindruck gewinnen kann, die Unabhängigkeit des Anwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf hoheitlich tätig wird. Die Belange der Rechtspflege sind auch dann gefährdet, wenn bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen kann, der Rechtsanwalt könne wegen seiner "Staatsnähe" mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken, oder der Gegner eines solchen Rechtsanwalts den Eindruck der Benachteiligung gewinnen kann.
Diese Gefahren sah der BGH als gegeben an. Denn der Antragsteller war nach den Feststellungen des Gerichts nicht nur interner Berater seiner Arbeitgeberin. Er trat auch nach außen als deren Repräsentant in Erscheinung. Er sollte nach seinem Arbeitsvertrag vor allem die Vertretung berufspolitischer Interessen übernehmen und dabei Kontakte zu Behörden, Verbänden und der Bundeskammer pflegen. Überdies gehörte es zu seinen Obliegenheiten, "öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zur Stärkung des Bekanntheitsgrades und des Ansehens der Kammer" wahrzunehmen.
Praxishinweis
Die lediglich vorübergehende Tätigkeit eines Rechtsanwalts im öffentlichen Dienst führt nicht zwingend zum Widerruf der Zulassung. Maßgebend sind auch hier die Bedingungen, unter denen das Arbeitsverhältnis geführt wird.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 26.05.2003, AnwZ (B) 50/02BGH-Beschluss vom 26.5.2003, AnwZ (B) 50/02