Leitsatz
Die Tätigkeit als Angestellter im Geschäftsbereich Private Banking eines Kreditinstituts ist mit dem Anwaltsberuf unvereinbar.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist im Bereich Private Banking als Fachbetreuer mit dem Schwerpunkt Erbschafts- und Stiftungsmanagement und als "Certified Estate Planner" tätig. Er beantragte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die zuständige Kammer wies den Antrag zurück. Der AGH hat den Bescheid der Kammer aufgehoben und sie verpflichtet, den Antragsteller als Rechtsanwalt zuzulassen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Kammer mit ihrer sofortigen Beschwerde, die beim BGH Erfolg hatte.
Entscheidung
Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach § 7 Nr. 8 BRAO zu versagen, wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Diese Regelung dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Sie soll die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte sichern und die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft schützen. Dennoch darf auch der Anwalt prinzipiell einen zweiten Beruf ausüben, weil dies zur verfassungsmäßig geschützten Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG gehört. Bei der Frage der Zulassung zur Anwaltschaft ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Ausübung des zweiten Berufs beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz eines Rechtsanwalts wecken müsste und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen würde.
Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts sowie dessen maßgebliche Orientierung am Recht und an den Interessen seiner Mandanten können insbesondere bei einer erwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs gefährdet sein. Interessenkollisionen liegen vor allem dann nahe, wenn ein kaufmännischer Beruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen. Daher sind Tätigkeiten im Versicherungs-, Finanzdienstleistungs- und Maklergewerbe in der Regel mit dem Anwaltsberuf unvereinbar. Für eine Tätigkeit als Erbschafts- und Stiftungsmanager und "Certified Estate Planner" im Geschäftsbereich Private Banking gilt nichts anderes. Diese Aktivitäten sind eingebunden in die auf Gewinnerwirtschaftung ausgerichtete Vermögensanlageberatung der Bank. Sie zielen auf eine ganzheitliche Beratung des Bankkunden in Bezug auf dessen Vermögensnachfolge ab. Dem Antragsteller obliegt es, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Kunden unter erb- und steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu begutachten und auf dieser Grundlage Handlungs- und Gestaltungsalternativen vorzuschlagen. Dem Antragsteller werden die zu begutachtenden Fälle vom Kundenbetreuer übertragen, der die Inhalte des Gutachtens an den Kunden weitergibt. Im Einzelfall wird der Antragsteller zur fachlichen Erläuterung hinzugezogen.
Eine solche Rechtsberatung lässt sich vom Geschäftsinteresse der Bank, Kunden für ihre Anlage- und Dienstleistungsprodukte zu gewinnen, nicht im nötigen Maße trennen. Eine Zulassung zur Anwaltschaft würde überdies das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts schädigen. Auch wenn die individuelle Integrität des Antragstellers nicht zweifelhaft ist, kann seine im Interesse der Bank vorgenommene Rechtsberatung beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an seiner Unabhängigkeit wecken und das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt beeinträchtigen. Diese Gefahr liegt hier besonders nahe, weil der Eindruck vermittelt werden könnte, dass die von der Bank angebotene Rechtsberatung unabhängig und allein vom Kundeninteresse geleitet ist, da sie von einem Rechtsanwalt ausgeführt wird. Dieser Eindruck wäre jedoch objektiv nicht gerechtfertigt.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 15.05.2006, AnwZ(B) 41/05BGH-Beschluss vom 15.5.2006, AnwZ(B) 41/05