Leitsatz
Eine Zahlungseinstellung begründet auch bei Insolvenzanfechtungen die Vermutung, dass der Insolvenzantragsgrund der Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
Sachverhalt
Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH & Co. KG hatte der Kläger von der Beklagten, einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO die Rückzahlung von per Scheck binnen drei Monaten vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beglichenen Honoraren für die Prüfung eines Effizienzsteigerungsprogramms in Höhe von ca. 114000 DM verlangt. Klage und Berufung blieben erfolglos. Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist zunächst zu prüfen, ob die Schuldnerin im Zeitpunkt der Scheckeinlösung die Zahlungen eingestellt hatte. Dann besteht die gesetzliche Vermutung, dass zu diesem Zeitpunkt auch der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit gegeben war. Diese Fiktion gilt gleichermaßen für Fragen der Insolvenzanfechtung.
Zahlungseinstellung ist das äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich also mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind. Vorliegend hatte die Schuldnerin bei einer Krankenkasse um Stundung fälliger Sozialversicherungsbeiträge nachgesucht, ohne dass das OLG in diesem Bereich weitere Aufklärung des Sachverhalts betrieben hatte, etwa zur Frage, ob dem Antrag stattgegeben worden ist.
Überdies wurden die Löhne der gewerblichen Mitarbeiter, anders als die der Angestellten, im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr bezahlt. Die Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Auch hierzu hatte das OLG keine Feststellungen getroffen.
Schließlich hatte das OLG eine Zahlungseinstellung auch deshalb abgelehnt, weil die Nichtbegleichung der Verbindlichkeiten nicht nach außen in Erscheinung getreten sei. Dies ist gleichfalls unzutreffend. Durch die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge, der Löhne und der sonst fälligen Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen nach Fälligkeit ist für die beteiligten Verkehrskreise hinreichend erkennbar geworden, dass die Nichtzahlung auf einem objektiven Mangel an Geldmitteln beruhte. Gerade Sozialversicherungsbeiträge und Löhne werden typischerweise nur dann nicht bei Fälligkeit bezahlt, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür nicht vorhanden sind.
Praxishinweis
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass das OLG zur weiteren Aufklärung eine Liquiditätsbilanz aufstellen kann. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten. Eine solche Liquiditätsbilanz ist jedoch nicht erforderlich, wenn anderweitig – z.B. anhand des konkreten Zahlungsverhaltens – festzustellen ist, dass der Schuldner
einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 12.10.2006, IX ZR 228/03