Leitsatz
Der BGH hat in einer grundlegenden Entscheidung die Darlegungslasten des Unterhaltsberechtigten konkretisiert. Danach reicht es nicht aus, wenn der Unterhaltsberechtigte seine Bemühungen um eine Vollzeitbeschäftigung darlegt, vielmehr muss er sich auch um geringfügige Beschäftigungen bemühen.
Sachverhalt
In einem Rechtsstreit über nachehelichen Unterhalt verlangte die im April 2008 rechtskräftig geschiedene Ehefrau nachehelichen Unterhalt. Sie hatte vor der Ehe als Verkäuferin und während der Ehe als Bürokraft im Betrieb ihres Mannes gearbeitet.
Zum Zeitpunkt der Scheidung war sie 54 Jahre alt, über eine Berufsausbildung verfügte sie nicht. Unter Berücksichtigung ihres Alters und in Ermangelung einer Berufsausbildung war die Antragstellerin nach ihrer Auffassung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar.
Die OLG-Richter errechneten einen Unterhaltsbedarf der Antragstellerin unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse mit 4.600 EUR monatlich.
Unter Anrechnung verschiedener Vermögensvorteile (Wohnen im ehelichen Haus u.a.) errechneten die OLG-Richter einen monatlichen Unterhaltsanspruch von zunächst über 3.000 EUR, ab dem 1.1.2010 i.H.v. 2.840 EUR. Hierbei stellten sie ein erzielbares fiktives Einkommen der Antragstellerin aus einer ihr möglichen Beschäftigung in einem Mini-Job i.H.v. 400 EUR monatlich in Rechnung. Ein höheres monatliches Einkommen könne die Antragstellerin nicht erzielen. Nach Auffassung der BGH-Richter hat die Vorinstanz die Erwerbsobliegenheiten Antragstellerin nicht angemessen bewertet.
Die Tatsache, dass die Antragstellerin nicht hinreichend vorgetragen habe, dass sie sich um eine adäquate Arbeitstelle bemüht habe (ca. 3 Bewerbungen pro Woche), führe zwar nicht unmittelbar zum Wegfall der Unterhaltsverpflichtung. Weitere Voraussetzung sei, dass die mangelnden Bemühungen ursächlich für die Nichtbeschäftigung seien.
Dies sei im Falle der Antragstellerin nicht unbedingt gegeben, da sie auch bei hinreichenden Bemühungen als ungelernte Kraft Schwierigkeiten haben dürfte, eine adäquate Beschäftigung zu finden. Realistisch und zumutbar sei es aber für die Antragstellerin, 2 Mini-Jobs zu finden oder einen sog. Midi-Job anzunehmen. Als Midi-Jobs werden die Beschäftigungen im Bereich zwischen 401 und 800 EUR bezeichnet, die nach § 8 Abs. 2 SGB IV zu einer verringerten, gestaffelten Beitragspflicht zur Sozialversicherung führen. Um eine solche Möglichkeit hätte die Antragstellerin sich nach Auffassung der BGH-Richter intensiv bemühen müssen. Könne sie dies nicht darlegen und beweisen, sei ihr ein fiktives Einkommen aus einem solchen Midi-Job anzurechnen.
Der BGH stellte darüber hinaus klar, dass der Wohnwert des von der Antragstellerin bewohnten ehelichen Einfamilienhauses in vollem Umfang zu berücksichtigen sei. In der Zeit der Trennung sei in einem solchen Fall zwar i.d.R. nur der entsprechend auf eine Person bezogene Wohnwert auf die Unterhaltszahlung anzurechnen, dies gelte jedoch schon dann nicht mehr, wenn mit der Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft realistisch nicht mehr gerechnet werden könne, z.B. wenn die Scheidung rechtshängig sei. Richtig sei, dass das OLG die Antragstellerin für verpflichtet gehalten habe, monatlich Teile ihres Sparvermögens sukzessive für ihren Lebensbedarf zu verwenden. Das OLG habe jedoch die Entscheidung über eine weitere Herabsetzung des Unterhalts ab dem Jahr 2016 nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschieben dürfen. Da das OLG ausdrücklich Gründe für eine künftige Herabsetzung zu diesem späteren Zeitpunkt gesehen habe, habe es hierüber sofort gemäß § 1578b BGB entscheiden müssen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 18.1.2012, XII ZR 178/09.