Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Frühere BGH-Rechtsprechung vom KG in Frage gestellt: Doch wohnungseigentumsrechtliche Gerichtszuständigkeit gegen ausgeschiedene Eigentümer bzw. einen früheren Konkurs- oder Zwangsverwalter (nach Freigabe des Wohnungseigentums vor Rechtshängigkeit) hinsichtlich der aus dem Gemeinschaftsverhältnis resultierenden Ansprüchen?
- Erneute Vorlage zum BGH
Normenkette
(§§ 43, 46 WEG)
Kommentar
Nach Auffassung des Senats ist zur Entscheidung über Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis (hier: Wohngeldforderungen) gegen einen Insolvenzverwalter (Konkursverwalter, Zwangsverwalter), der das Wohnungseigentumsrecht vor Rechtshängigkeit freigegeben hat, das Wohnungseigentumsgericht berufen. Maßgebend ist allein, ob ein geltend gemachter Anspruch seine Grundlage im gemeinschaftlichen Eigentum oder in der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hat. Mit dieser Überlegung hat der BGH in ständiger Rechtsprechung auch die wohnungseigentumsgerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen Eigentümern und einem abberufenen Verwalter entschieden (BGH, NJW 1965,1763; NJW 1972, 1318; NJW 1976, 239; NJW 1980, 2466; NJW 1989, 714). Eine unterschiedliche Behandlung des abberufenen Verwalters einerseits und eines ausgeschiedenen Verpflichteten (hier: des Konkursverwalters, der die Wohnung vor Rechtshängigkeit aus der Masse freigegeben hatte mit entsprechendem Löschungsvermerk des Grundbuchs) andererseits ist nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt. Soweit dies vom BGH (BGHZ 106, 34 = NJW 1989, 714) insoweit bisher (früher) anders entschieden wurde unter Verweisung auf die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes hinsichtlich einer einmal eingeschlagenen Rechtsentwicklung, verliert dieses Argument schon deshalb an Bedeutung, weil es in diesen Fällen nicht um die Zuerkennung oder Aberkennung materiell-rechtlicher Positionen geht, sondern lediglich um die Rechtsfrage, auf welchem Rechtsweg materiell-rechtliche Ansprüche durchzusetzen sind. Die spezifischen wohnungseigentumsrechtlichen Fragen können von den Wohnungseigentumsgerichten, die mit der Spezialmaterie vertraut sind, leichter gelöst werden als von den Prozessgerichten. Hinzu kommt die lokale Konzentration der Streitigkeiten vor dem für die Wohnanlage zuständigen Wohnungseigentumsgericht, das mit den näheren Verhältnissen der Wohnanlage besser vertraut ist, während die Zuständigkeit der Prozessgerichte abhängig ist vom Wohnsitz eines ausgeschiedenen Eigentümers. Nach mehr als 12 Jahren hält der Senat eine Überprüfung der in BGHZ 106, 34 geäußerten Rechtsauffassung für angezeigt.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Beschluss vom 17.04.2002, 24 W 316/01( KG, Vorlage-Beschluss v. 17.4.2002, 24 W 316/01)
Aus meiner Sicht ist es erfreulich und wohl auch an der Zeit (vgl. auch die bisherige Kritik in ETW, Gruppe 7), dass dieses Zuständigkeitsproblem endlich erneut von einem Obergericht zur Sprache gebracht wird, um vielleicht den BGH auch hier zum Umdenken zu bewegen. Wenn in dieser Rechtswegfrage wirklich auf den inneren Sachzusammenhang einer Streitsache mit dem Wohnungseigentumsrecht abzustellen ist, gibt es keinen überzeugenden Grund, die Zuständigkeitsfrage gegen ausgeschiedene Verwalter anders zu beurteilen als gegen ausgeschiedene Eigentümer bzw. bisherige Verfügungsberechtigte. Das Wohnungseigentumsgericht ist ohne Frage sachnäher an einer solchen Streitproblematik, wenn es um Rechte und Pflichten selbst aus einem früheren Gemeinschaftsverhältnis mit einem ehemaligen Eigentümer gehen sollte. Auch ich kann nur hoffen, dass nicht zuletzt in Anbetracht der augenblicklichen Bewegung im Wohnungseigentumsrecht (insbesondere durch aktuelle Entscheidungen des BGH in diversen grundsätzlichen Rechtsfragen) auch in diesem Punkt der BGH unter Aufhebung früherer Rechtsprechung der knapp, jedoch überzeugend begründeten Entscheidung des KG folgt und weitgehend auf Unverständnis gestoßene Divergenzen bereinigt.