Grundsätzlich ist ein Geschädigter im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht gehalten, seine verbliebene Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen. Er muss sich ernsthaft und aktiv um eine neue Arbeitsstelle bemühen, ggf. auch an einer Umschulungsmaßnahme teilnehmen.
Der BGH hat in dem genannten Urteil die Anforderungen an den Geschädigten sehr gut dargestellt, sie sind in der Praxis auch nicht streitig. Allerdings muss immer bedacht werden, dass diese nicht überspannt werden dürfen. So ist es folgerichtig, dass von niemandem verlangt werden kann, eine überobligationsmäßige Tätigkeit auszuüben. In diesen Fällen muss der Geschädigte sich natürlich auch nicht um eine solche bemühen.
Es kann auch nicht verlangt werden, dass sich ein grundsätzlich arbeitsfähiger Geschädigter wahllos auf jede mögliche Stelle bewirbt. Eine solche muss schon seinen Vorkenntnissen entsprechen, zumindest vom Niveau her der bisherigen Stelle in etwa gleichwertig sein. Bei der schadensersatzrechtlich notwendigen Bewertung der Zumutbarkeit ist deshalb vor allem auf den beruflichen Werdegang und dabei insb. auch auf die Ausbildung des Geschädigten abzustellen. Es muss zudem auch von der räumlichen Entfernung vom Wohnort her zumutbar sein, eine neue Arbeitsstelle zu erreichen.
Sofern dies gesundheitlich möglich ist, wird man vom Geschädigten verlangen können, je nach Intellekt und Fähigkeiten eine Umschulung durchzuführen. Hier bieten viele VR im Wege des beruflichen Rehamanagements selbst aktiv Unterstützung an. Die Mitwirkung des Geschädigten an einer solchen Maßnahme ist allerdings vollkommen freiwillig. Lehnt ein Geschädigter eine Mitwirkung am REHA-Management ab oder will er – aus welchen Gründen auch immer – dieses nicht weiterführen, darf ihm deshalb kein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vorgeworfen werden. Da es umgekehrt keinen Anspruch auf REHA Management – auch für die VR gilt Freiwilligkeit – gibt, scheidet ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht strikt aus. Auch in Extremfällen kommt ein solcher Einwand unter keinen Umständen in Betracht.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen selbst bei einer körperlichen MdE von nur 20 % u.U. Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nicht verlangt werden können, nämlich dann, wenn psychische Schäden (seelischer Defekt, psychiatrische Behinderung) hinzukommen, die eine weitere Arbeitstätigkeit ausschließen.
Nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit kommt es manchmal zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Fraglich ist, ob von dem Geschädigten verlangt werden kann, einer Kündigung zu widersprechen und gegebenenfalls dagegen gerichtlich vorzugehen. Hier ergibt sich aber schon die Schwierigkeit, wie ein Arbeitnehmer als juristischer Laie überhaupt erkennen soll oder kann, ob eine Kündigung unzulässig ist oder nicht. Es kann dem Geschädigten deshalb nicht zugemutet werden, letztendlich zugunsten des Schädigers eine prozessuale Auseinandersetzung mit völlig ungewissem Ausgang zu führen, welche er zudem auch zunächst noch selbst finanzieren müsste. Dass es zu dieser Problematik gekommen ist, liegt einzig und alleine am Verhalten des Schädigers, der dann eben auch die Folgen zu tragen hat.
Dasselbe muss für die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerrechte gemäß SGB IX gelten. Durch Einführung des SGB IX hat der Gesetzgeber eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen geschaffen, die das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber betreffen. Werden diese Möglichkeiten aber nicht voll ausgeschöpft, kann dies nicht dem Schädiger zugutekommen. Insoweit muss man auch hier wieder konstatieren, dass es dem Geschädigten nicht zugemutet werden kann, gerichtlich gegen den Arbeitgeber vorzugehen. Das Risiko liegt, wie bereits gesagt, insoweit allein in der Sphäre des Schädigers, dessen Verhalten den Geschädigten in die unangenehme Situation gebracht hat.
Fazit: Dem Geschädigten obliegt bei Verlust einer Arbeitsstelle grundsätzlich eine Schadenminderungspflicht. Die Anforderungen daran dürfen allerdings nicht überspannt werden. Entscheidend ist die Zumutbarkeit.