Bleibt ein junger Geschädigter durch die Folgen aus dem schädigenden Ereignis dauerhaft arbeitsunfähig, ist die Ermittlung des hypothetischen Zukunftsverlaufs im Rahmen des Verdienstausfallschadens nicht immer einfach. Hat bspw. ein junger Geschädigter vor dem Schadensereignis seine Ausbildung abgebrochen und ist dann ausschließlich in lückenhafter Reihenfolge Minijobs nachgegangen, wird in der Praxis gelegentlich die Auffassung vertreten, dass ausschließlich aufgrund dieses sehr kurzen Zeitabschnitts der hypothetische Zukunftsverlauf zu bestimmen und in einem solchen Fall von einer "gefestigten Nichterwerbsbiografie" auszugehen sei. Konkret bedeutet das, dass bei jungen Geschädigten, die in der Findungsphase, beispielsweise zwischen 16 Jahren und 25 Jahren, keiner geregelten Arbeit nachgegangen sind, dieses angeblich auch ihr ganzes Leben lang nicht getan hätten. Dies entspricht jedoch weder der allgemeinen Lebenserfahrung noch der herrschenden Rechtsprechung und wird auch in der Literatur von Versichererseite grundsätzlich akzeptiert.
Die Erfahrung zeigt, dass auch ein junger Mensch, der sich noch in einer Selbstfindungsphase befindet und deshalb nicht den vorbildlichen Werdegang einer Ausbildung und später anschließenden Tätigkeit wählt, dies spätestens dann, wenn er eine Familie gründet, ändert. Selbst bei im Unfallzeitpunkt bestehender Arbeitslosigkeit ist "insb. bei einem jüngeren Menschen – soweit nicht konkrete Anhaltspunkte dagegen sprechen – grundsätzlich davon auszugehen, dass er auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine Gewinn bringende Erwerbstätigkeit genutzt hätte." Zur Ermittlung, welche Art von beruflicher Tätigkeit in der Zukunft in Frage gekommen wäre, können auch die Ausbildung und der berufliche Werdegang weiterer Familienmitglieder herangezogen werden. An den Beweismaßstab gemäß § 287 ZPO sind, wie bereits ausgeführt, keine hohen Anforderungen zu stellen, weil es der Schädiger war, der den Geschädigten in die Situation gebracht hat, dies dartun zu müssen.
Der 51. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2013 hat in der Entschließung des Arbeitskreises "Erwerbsschadenermittlung bei Verletzung vor oder kurz nach dem Berufseinstieg" diesbezüglich nachfolgende Feststellung getroffen: "Insbesondere kann durch die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Vermutung, dass jugendliche Menschen in aller Regel Einkünfte durch Einsatz ihrer Arbeitskraft erzielen, ein Mindesteinkommen festgestellt werden, auch wenn sich nicht beweisen lässt, dass sich der behauptete Berufswunsch realisiert hätte." In der Diskussion dieses Arbeitskreises herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass, wenn keine konkreten Anknüpfungspunkte vorhanden sind, ein Einkommen in Höhe von netto 1.500 EUR monatlich als hypothetischer Verdienst zugrunde gelegt werden sollte.
Auch bei älteren Geschädigten, die vor dem Unfallereignis nicht durchgehend beruflich tätig waren, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie, wenn auch mit Unterbrechungen, immer wieder Arbeit gefunden hätten.
Fazit: Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen kann davon ausgegangen werden, dass bei einer lückenhaften Erwerbsbiographie in der Zukunft kein Verdienst erzielt worden wäre. Im Normalfall kann angenommen werden, dass der Geschädigte immer wieder Arbeitsstellen gefunden und ein durchschnittliches Einkommen erzielt hätte.