Leitsatz

Gegenstand des am 6.9.2006 ergangenen Beschlusses des OLG Dresden war die Klage des Insolvenzverwalters einer Aktiengesellschaft gegen deren ehemalige drei Vorstände, welche gleichzeitig Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH waren, auf Schadensersatz gemäß § 93 Abs. 2 und Abs. 3 Ziff. 8 AktG wegen Darlehensgewährungen an die GmbH ohne die nach § 89 Abs. 4 Satz 1 AktG erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats.

 

Hinweis

Nach § 89 Abs. 4 Satz 1 AktG darf eine AG, deren Vorstandsmitglied zugleich gesetzlicher Vertreter einer anderen juristischen Person ist, der juristischen Person Kredit nur mit Einwilligung des Aufsichtsrats gewähren. Eine Ausnahme gilt u. a. für den Fall, dass die juristische Person mit der AG verbunden ist (§ 89 Abs. 4 Satz 2 AktG).

Das OLG Dresden stellt zunächst klar, dass die AG und die GmbH keine verbundenen Unternehmen waren, obwohl die beklagten Geschäftsführer und Gesellschafter zusammen mit einer vierten Gesellschafterin der GmbH zusammengerechnet über eine Mehrheit von 55 % der Anteile der AG verfügten und sich im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer Aktionärsinteressen an der AG zu einem Poolvertrag zusammengeschlossen hatten. Zum einen fehlte es an einer wirtschaftlichen Interessenbindung zwischen dem Stimmrechtskonsortium und der AG, welche nach Art und Intensität die ernsthafte Besorgnis begründet hätte, dass das Stimmrechtskonsortium wegen dieser Bindungen den aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die AG nachteilig ausüben könnte. Darüber hinaus bestand zwischen der GmbH und der AG weder unmittelbar noch mittelbar ein Mehrheitsbesitz gemäß §§ 16, 17 Abs. 2 AktG, weil keine der beiden Gesellschaften an der anderen beteiligt war. Schließlich war auch keine einheitliche Leitung gemäß § 18 AktG gegeben, da - trotz Personenidentität auf der jeweiligen Leitungsebene - nicht erkennbar war, dass wesentliche Bereiche der unternehmerischen Betätigung der Konzernunternehmen durch die Konzernspitze in Planung, Durchführung und Kontrolle koordiniert worden sind.

Die beklagten GmbH-Geschäftsführer konnten weiterhin mit dem Einwand nicht durchdringen, dass der Aufsichtsrat den Darlehensgewährungen stillschweigend zugestimmt hätte. Nach gefestigter BGH-Rechtsprechung können Aufsichtsratsbeschlüsse nicht konkludent gefasst werden.

Der Beklagte zu 3) konnte sich im Übrigen auch nicht dadurch entlasten, dass er am Abschluss des Darlehensvertrages nicht als Vorstandsmitglied der AG, sondern lediglich als Geschäftsführer der als Darlehensnehmerin fungierenden GmbH mitgewirkt hat. Das OLG Dresden wirft dem Beklagten zu 3) vor, dass er die offenkundige Verletzung der Rechte des Aufsichtsrats hätte erkennen und hiergegen unabhängig davon hätte einschreiten müssen, dass er selbst nicht aktiv für die Schuldnerin gehandelt hatte.

Im Rahmen der Schadensersatzpflicht gemäß § 93 Abs. 2 und Abs. 3 Ziff. 8 AktG sieht das OLG Dresden den zu ersetzenden Vermögensnachteil unmittelbar im Abfluss der ausgezahlten Vermögensmittel. Zwar hatten die Beklagten eingewandt, die ausgezahlten Mittel hätten dem von der AG beabsichtigten Erwerb der Geschäftsanteile an einer dritten GmbH gedient, welcher treuhänderisch über die GmbH hätte abgewickelt werden sollen. Das OLG Dresden bejahte die Erstattungspflicht indes auch für den Fall, dass die Darlehensgewährung mit wirtschaftlichen Vorteilen für die AG verbunden gewesen sein sollte. Den berechtigten Belangen der Beklagten werde dadurch genügt, dass ihnen bei Leistung von Schadensersatz Ansprüche gegen die AG auf Abtretung des Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen die GmbH gemäß § 255 BGB erwachsen.

Schließlich ist ein Schaden auch nicht dadurch entfallen, dass die AG ihre Rückzahlungsansprüche an den Beklagten zu 2) nach dessen Ausscheiden aus dem Vorstand der AG abgetreten und anschließend verrechnet habe. Die Abtretung war unwirksam, da nur der Aufsichtsratsvorsitzende allein - wenngleich in Vertretung des Aufsichtsrats - über die Abtretung entschieden hatte. Zum Abschluss eines Rechtsgeschäftes mit dem Vorstand ist jedoch gemäß § 112 AktG nur der gesamte Aufsichtsrat berechtigt, wovon auch in der Satzung nicht abgewichen werden kann. Unerheblich ist, dass der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr Mitglied des Vorstands war, da § 112 AktG auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern gilt.

Fazit: Die Voraussetzungen verbundener Unternehmen, die von der Vorschrift des § 89 Abs. 4 Satz 1 AktG befreit sind, liegen nicht schon dann vor, wenn zwischen den jeweiligen Leitungsorganen Personenidentität besteht und ein Unternehmen von dem anderen über ein Stimmrechtskonsortium kontrolliert wird. Aufsichtsratsbeschlüsse können nicht stillschweigend gefasst werden. Eine Verletzung der Organpflichten eines Vorstandsmitglieds kann auch darin liegen, eine offenkundige Verletzung der Rechte des Aufsichtsrats nicht verhindert zu haben. Der zu ersetzende Vermögensnachteil besteht im Rahmen der Schadensersatzpflicht nach § 93 Abs. 2, Abs. 3 Ziff. 8 AktG ...

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