Leitsatz

Es ist möglich, dass sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Wissen des Verwalters zurechnen lassen muss. Eine Wissenszurechnung scheidet allerdings aus, wenn ein Anspruch mit einem gegen den Verwalter gerichteten Anspruch in einem so engen Zusammenhang steht, dass zu befürchten ist, er werde nicht zu einer sachgerechten Verfolgung des Anspruchs beitragen

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6, 27 Abs. 3 Satz 1 WEG

 

Das Problem

  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer A und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B streiten um die Rückzahlung von 10.000 EUR. Dieser Betrag wurde am 31. Juli 2006 durch den Verwalter zu Unrecht und ohne Rechtsgrund vom Konto der A auf das der B überwiesen. L war in beiden Wohnungseigentumsanlagen Verwalter. Seine Zahlung war Teil eines "Schneeballsystems". Um Veruntreuungen zu vertuschen, überwies er sehr häufig Gelder zwischen den Konten vieler von ihm verwalteter Wohnungseigentumsanlagen hin und her. Nach der Überweisung am 31. Juli 2006 überwies L z.B. noch am gleichen Tag einen Teilbetrag von 5.000 EUR vom Konto der B weiter auf das Konto der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer C. Den weiteren Teilbetrag von 5.000 EUR hob er hingegen am 1. August 2006 von B's Konto für eigene Zwecke ab.
  2. A erfährt von der Überweisung vom 31. Juli 2006 im Sommer 2007. Am 21. Dezember 2010 beantragt sie gegen B einen Mahnbescheid, der am 22. Dezember 2010 erlassen und B am 19. Januar 2011 zugestellt wird. B legt Widerspruch ein. Sie behauptet vor allem, nicht bereichert zu sein, da L das Geld zum einen an C weitergeleitet und zum anderen abgehoben habe. Ferner wendet B Verjährung ein. Das Landgericht verurteilt B im Streitverfahren, an A 10.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung weist das Oberlandesgericht zurück. Mit ihrer Revision verfolgt B ihren Klageabweisungsantrag weiter.
 

Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! B sei durch die Überweisung in sonstiger Weise bereichert worden. Sie habe sich L's Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund der Überweisung entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen mit der Folge, dass sie sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen könne. L sei als Verwalter B's organschaftlicher Vertreter gewesen. Er sei insbesondere nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung für die Verwaltung der eingenommenen Gelder zuständig gewesen. Etwas anderes gelte nicht, weil L auch aufseiten von A – veruntreuend – tätig gewesen war. Hierdurch sei A's Schutzwürdigkeit nicht verringert worden.
  2. B könne auch nicht wegen Ablaufs der Verjährung die Leistung verweigern. L's Wissen um die von ihm vorgenommene rechtsgrundlose Überweisung vom 31. Juli 2006 sei A nicht zuzurechnen. Eine Zurechnung komme jedenfalls angesichts der besonderen Umstände des Falls nicht in Betracht. Einem Schuldner könne es im Einzelfall verwehrt sein, sich auf die Wissenszurechnung eines Vertreters des Gläubigers zu berufen. Dies komme unter anderem dann in Betracht, wenn sich der betreffende Anspruch gerade gegen diejenige Person richte, deren Wissen zugerechnet werden soll. Ein derartiger, eine Wissenszurechnung des Vertreters ausschließender Ausnahmefall liege nicht nur vor, wenn sich der Anspruch allein gegen den Wissensvertreter selbst richte. Er sei vielmehr auch dann anzunehmen, wenn sich der Anspruch zwar gegen einen Dritten richte, jedoch mit einem gegen den Wissensvertreter gerichteten Anspruch in einem so engen Zusammenhang stehe, dass auch hier die Befürchtung bestehe, der Vertreter werde nicht zu einer sachgerechten Verfolgung des Anspruchs beitragen.
  3. So liege es hier. Der Bereicherungsanspruch richte sich nicht gegen L. Für diesen bestand indes im Hinblick auf die Verfolgung von A's Anspruch eine erhebliche Interessenkollision. Bei der unberechtigten Überweisung habe es sich um eine Tatsache gehandelt, deren Aufdeckung nicht nur zur Geltendmachung von Ansprüchen von A gegen B, sondern auch zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen L selbst hätte führen können. Dessen Situation sei damit ohne Weiteres mit derjenigen vergleichbar, in der sich der streitgegenständliche Anspruch unmittelbar gegen den Wissensvertreter selbst richte.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Entscheidung behandelt einen Fall, in dem sich Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausnahmsweise das Wissen des Verwalters nicht zurechnen lassen muss. In der Praxis ist der Regelfall – also eine Zurechnung! – von größerer Bedeutung. Hier heißt es in Rn. 19 der Entscheidung unter Hinweis unter anderem auf OLG München v. 7.2.2007, 34 Wx 129/06, NJW-RR 2007 S. 1097, 1098, und OLG Hamm v. 3.3.2009, 15 Wx 96/08, NJOZ 2009 S. 3753, 3759 leider nur, dass "nicht von vorneherein ausgeschlossen" werde könne, das sich eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Wissen des Verwalters im Zusammenhang mit der Verwaltung ihrer Gelder zuzurechnen lassen müsse. Diese Entscheidungen klären indessen jeweils nicht, warum sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Wissen des Verwalters zurechnen lassen muss.
  2. ...

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