Leitsatz
Ein italienischer Staatsangehöriger und eine deutsche Staatsangehörige hatten im März 1976 geheiratet. Im Juli diesen Jahres wurde ein Sohn geboren. Sie trennten sich im Dezember 2005. Im Februar 2006 erhob der Ehemann Antrag auf Härtefallscheidung, da die Ehefrau eine Beziehung zu einem neuen Partner aufgenommen habe. Mit Schriftsatz vom 31.3.2006 erklärte er seinen Scheidungsantrag für erledigt und beantragte, die Ehe nach § 1314 Abs. 2 Ziff. 3 BGB aufzuheben, da zwischenzeitlich ein privates Abstammungsgutachten vorlag, welches ihn zweifelsfrei als Vater des Sohnes ausschloss. Die Ehefrau erhob im April 2006 ihrerseits Antrag auf Härtefallscheidung mit der Begründung, sie werde von ihrem Mann geschlagen und seelisch fertig gemacht.
In der mündlichen Verhandlung im Juli 2006 wurden die Parteien persönlich angehört. Der Ehemann stellte seinen Eheaufhebungsantrag, die Ehefrau beantragte die Abweisung. Nach der mündlichen Verhandlung nahm sie ihren Scheidungsantrag zurück.
Das erstinstanzliche Gericht hat den Antrag des Ehemannes auf Aufhebung der Ehe abgewiesen. Hiergegen legte der Ehemann Berufung ein und verfolgte nunmehr die Scheidung der Ehe nach Ablauf des Trennungsjahres.
Sein Rechtsmittel war erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt den Scheidungsantrag des Ehemannes für begründet. Nach § 1566 Abs. 1 BGB werde das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet, nachdem die Parteien seit über einem Jahr getrennt lebten und die Ehefrau dem Scheidungsantrag ihres Mannes zugestimmt hatte.
Der Ehemann sei durch die Entscheidung des FamG auch beschwert, weil sein Antrag auf Aufhebung der Ehe abgewiesen worden sei. Seine Beschwer entfalle nicht dadurch, dass er erst wieder in der Berufungsinstanz die Scheidung der Ehe geltend gemacht habe. Gemäß § 611 Abs. 1 ZPO könnten in Ehesachen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auch noch in der Berufungsinstanz, andere Gründe, als in dem das Verfahren einleitenden Schriftsatz vorgebracht worden seien, geltend gemacht werden.
Die Möglichkeit eines Übergangs von der Eheaufhebungsklage zum Scheidungsantrag und umgekehrt werde durch § 611 Abs. 1 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergehe, ohne Einschränkung eröffnet (BGH v. 12.10.1988 - IVb ZB 73/86, MDR 1989, 240 = FamRZ 1989, 153; Stein/Jonas, 21. Aufl., § 611 ZPO Rz. 9; Münchener Kommentar zur ZPO, § 611 Rz. 11). Das OLG sah sich gem. § 629b Abs. 1 ZPO analog daran gehindert, unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Ehescheidung auszusprechen, da gleichzeitig die Folgesache Versorgungsausgleich zur Entscheidung anstand. Von einer Zurückverweisung könnte ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn der Zweck des § 629b ZPO, eine gleichzeitige Entscheidung über den Scheidungsantrag und die zu regelnden Folgesachen zu gewährleisten, und den Parteien für die Folgesachen keine Instanz zu nehmen, nicht zutreffe. Dies sei dann der Fall, wenn beide Parteien mit einer Entscheidung des Berufungsgerichts einverstanden seien und der Sachverhalt so vollständig geklärt sei, dass den Parteien durch den Verlust einer Tatsacheninstanz kein Nachteil entstehe (OLG Oldenburg v. 5.6.1998 - 11 UF 50/98, OLGReport Oldenburg 1998, 226 = FamRZ 1998, 1528).
Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da die Ehefrau ausdrücklich einer Entscheidung in der Sache durch das OLG nicht zugestimmt habe.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.01.2007, 11 UF 169/06