Leitsatz

1. Die Zurverfügungstellung eines Telefons und die Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten durch unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL fallende Personen sowie die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen dieser Patienten durch diese Personen stellen i.d.R. keine mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze im Sinn dieser Vorschrift dar. Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese Leistungen zur Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind und nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sind, ihrem Erbringer zusätzliche Einnahmen durch die Erzielung von Umsätzen zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen der Mehrwertsteuer unterliegender gewerblicher Unternehmen getätigt werden.

2. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten und gegebenenfalls des Inhalts der für die betroffenen Patienten erstellten ärztlichen Verschreibungen zu bestimmen, ob die erbrachten Leistungen diese Voraussetzungen erfüllen.

 

Normenkette

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b 6. EG-RL (vgl. § 4 Nr. 16 UStG)

 

Sachverhalt

Ygeia, eine Krankenhaus AG, meinte, die Zurverfügungstellung eines Telefons und die Vermietung von Fernsehgeräten an Krankenhauspatienten sowie die Unterbringung und Verpflegung der Begleitpersonen dieser Patienten seien als mit der Krankenhausbehandlung und der medizinischen Behandlung eng verbundene Umsätze von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Der EuGH entschied, wie im Leitsatz wiedergegeben.

 

Entscheidung

Der Leitsatz sagt insoweit alles. Dies gilt auch für die in § 4 Nr. 16 erwähnten "eng verbundenen" Umsätze.

 

Hinweis

Nach der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze ...". Unter anderem gilt auch für diese Befreiung die Einschränkung, dass Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen sind, wenn "sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind" und "sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden".

Dies ist der rechtliche Rahmen, der auch für die richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 16 UStG verbindlich ist,

Ausgangspunkt für die Beurteilung, was unerlässliche Nebenleistungen sind, ist

  • dass Befreiungen stets eng auszulegen sind,
  • dass die 6. EG-RL zwar bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten befreit, aber eben nur die ausdrücklich bestimmten (RdNr. 16),
  • dass der Begriff "eng verbundene" Umsätze Leistungen ausschließt, die keinen Bezug zur Krankenhausbehandlung oder zur ärztlichen Heilbehandlung haben, und außerdem
  • Nebenleistungen nur vorliegen, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptdienstleistung des Erbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

    Weiter ist zu berücksichtigen,

  • dass nach ständiger Rechtsprechung die ärztliche Heilbehandlung und die Krankenhausbehandlung zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen soll und
  • durch die Befreiung (nur) gewährleistet werde, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch die höheren Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder die eng mit ihnen verbundenen Umsätze der Mehrwertsteuer unterworfen wären.

Für die Annahme einer "eng verbundenen" Leistung genügt es nicht, dass die Leistungen nützlich sind (RdNr. 27).

Beachten Sie: Diese Einschränkung gilt für alle Befreiungen, bei denen auch Lieferungen oder Dienstleistungen befreit werden, die mit der befreiten Tätigkeit "eng verbunden" sind oder mit dieser "in engem Zusammenhang stehen" (ausdrücklich RdNr. 26).

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 1.12.2005, Rs. C-394/04 und C-395/04 – Ygeia –

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