1 Leitsatz
Ist das WEG-Konzentrationsberufungsgericht (§ 72 Abs. 2 GVG) als Berufungsgericht im Erkenntnisverfahren auch für den als Streitgenossen in Anspruch genommenen Mieter zuständig, bleibt diese Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren auch für nur gegen den Mieter gerichtete Vollstreckungsmaßnahmen bestehen.
2 Normenkette
GVG § 72 Abs. 2
Sachverhalt
Mit einer sofortigen Beschwerde wendet sich Schuldner S (der Mieter eines Wohnungseigentümers) gegen einen Beschluss des Amtsgerichts (AG), mit welchem dieses ihm ein Ordnungsgeld auferlegt hat. Fraglich ist, welches Gericht für die Entscheidung zuständig ist.
Entscheidung
Das Landgericht (LG) meint, die Zuständigkeit richte sich nach § 72 Abs. 2 GVG. Zuständig sei also das zentrale Berufungs- und Beschwerdegericht in Wohnungseigentumsverfahren. Zwar sei das Verfahren gegen S kein Wohnungseigentumsverfahren gewesen. Der BGH habe aber für das Erkenntnisverfahren entschieden, dass § 72 Abs. 2 GVG auch für einen Streitgenossen des Wohnungseigentümers anwendbar sei. Im Vollstreckungsverfahren könne nichts anderes gelten.
Hinweis
Das nach § 72 Abs. 2 GVG zuständige Konzentrations-LG ist auch für ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf in Zwangsvollstreckungsverfahren gegen einen in einem Verfahren nach § 43 Nr. 1 bis Nr. 4 und Nr. 6 WEG ergangenen Titel zuständig (BGH, Beschluss v. 19.2.2009, V ZB 188/08, NJW 2009 S. 1282 Rn. 7 ff.). Das LG ergänzt dieses Denken und meint, so sei es auch, wenn es sich zwar um einen Mieter handelt, er aber neben dem Wohnungseigentümer Titelschuldner ist. Zu dieser Beurteilung gelangt es mit Blick auf die o. g. BGH-Entscheidung.
Der BGH hatte dort für das Erkenntnisverfahren entschieden, dass es sich um eine § 72 Abs. 2 GVG unterfallende WEG-Sache handelt, wenn die Entscheidung den Vermieter und den Mieter als Streitgenossen betrifft, Mieter und Vermieter Berufung einlegen und der Vermieter später die Berufung zurücknimmt. Ferner entschied der BGH, es gelte nichts anderes, wenn nur der Mieter Berufungsführer oder Berufungsbeklagter ist.
Beim BGH blieb offen, was gilt, wenn sämtliche Streitgenossen, für die der Rechtsstreit eine Streitigkeit gem. § 43 Nr. 1 bis Nr. 4 und 6 WEG darstellt, bereits vor der Entscheidung in erster Instanz "ausgeschieden" sind. So liegt der Fall zwar nicht. Er liegt aber sogar "schlimmer". Denn der vermietende Wohnungseigentümer ist nicht nur nicht aus dem Zwangsvollstreckungsverfahren ausgeschieden. Vielmehr war er dort von Anfang an nie beteiligt. Dennoch dürfte die LG-Entscheidung richtig sein. Denn das LG-Konzentrationsgericht ist wohl auch dann zuständig, wenn das Urteil 1. Instanz nur gegenüber dem Mieter erging. Selbst wenn die Entscheidung in erster Instanz nur gegenüber einer Person ergangen ist, für die der Rechtsstreit keine Streitigkeit gem. § 43 Nr. 1 bis Nr. 4 und 6 WEG darstellte, wird nämlich das LG-Konzentrationsgericht in der Regel eine besondere Sachkunde haben.
3 Link zur Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 27.3.2019, 2-13 T 16/19