Leitsatz

Bei den Kosten, die nach Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist des § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO für die weitere Einlagerung der dem Vollstreckungsschuldner gehörenden aufbewahrungspflichtigen Geschäftsunterlagen entstehen, handelt es sich nicht um notwendige Zwangsvollstreckungskosten, für die der Vollstreckungsgläubiger nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG als Kostenschuldner einzustehen hat.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

ZPO § 885 Abs. 4; GVKostG § 13 Abs. 1 Nr. 1

 

Kommentar

Der Eigentümer beauftragte die Gerichtsvollzieherin im November 2004 mit der Zwangsräumung eines gewerblich genutzten Objekts. Dabei fand die Gerichtsvollzieherin Geschäftsunterlagen, die nach §§ 257 Abs. 1 HGB, 147 Abs. 1 AO einer mehrjährigen Aufbewahrungspflicht unterliegen. Die Gerichtsvollzieherin lagerte diese Unterlagen bei einer Spedition gegen ein monatliches Entgelt von 90 EUR ein. Der Räumungsschuldner holte die Unterlagen trotz Aufforderung nicht ab. Auf diese Weise entstanden bis März 2006 Lagerkosten in Höhe von ca. 1.500 EUR. Der BGH hatte zu entscheiden, wer diese Kosten zu tragen hat.

Nach Auffassung des BGH sind diese Kosten von der Staatskasse zu tragen: Ist der Räumungsschuldner bei der Zwangsräumung nicht zugegen, hat der Gerichtsvollzieher gem. § 885 Abs. 3 ZPO für die Aufbewahrung der in den Räumen befindlichen Gegenstände zu sorgen. In der Regel werden die Gegenstände bei einer Spedition eingelagert. Der Schuldner hat die Möglichkeit, die Gegenstände dort abzuholen. Anderenfalls werden sie nach Ablauf einer Frist von 2 Monaten vom Gerichtsvollzieher verkauft oder (falls sie wertlos sind) vernichtet.

Aufbewahrungspflichtige Geschäftsunterlagen dürfen allerdings weder verkauft noch vernichtet werden. Deshalb stellt sich die Frage, wer für die Kosten der Einlagerung aufkommen muss, wenn der Räumungsschuldner seine Unterlagen nicht abholt. Nach einer Meinung handelt es sich bei diesen Kosten um notwendige Kosten der Zwangsräumung, für die der Auftraggeber der Räumung – also der Gebäudeeigentümer – haftet (so z. B. LG Koblenz, DGVZ 2006, 27). Nach anderer Ansicht endet die Kostentragungspflicht des Gebäudeeigentümers mit dem Ablauf der zweimonatigen Aufbewahrungsfrist. Die weitere Aufbewahrung hat auf Staatskosten zu erfolgen (z. B. LG Berlin, DGVZ 2004, 140). Der BGH folgt dieser Auffassung. Zwar werde die Kostenhaftung für die Einlagerung von aufbewahrungspflichtigen Unterlagen in § 885 ZPO nicht ausdrücklich geregelt; nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/341 S. 40) sei der Gesetzgeber aber davon ausgegangen, dass die Kosten von der Staatskasse getragen werden.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 21.02.2008, I ZB 53/06BGH, Beschluss v. 21.2.2008, I ZB 53/06, NZM 2008, 448 m. Anm. Hansens = RVGreport 2008, 280

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