Leitsatz
- Verpflichtet sich der Mieter in einem Mietaufhebungsvertrag zu Ausgleichszahlungen, falls der Vermieter bei einer Weitervermietung des Mietobjekts nur eine geringere als die vom Mieter geschuldete Miete erzielen kann, wird dieser Anspruch bei einer späteren Zwangsverwaltung des Grundstücks nicht von der Beschlagnahme erfasst.
- Tritt der Vermieter diese Forderung vor der Anordnung der Zwangsverwaltung über das Mietgrundstück an einen anderen ab, stellt dies keine Vorausverfügung über eine Mietforderung i.S. von § 1124 Abs. 2 BGB dar.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
ZVG §§ 20 Abs. 1, 146; BGB §§ 1123, 1124
Kommentar
Im Januar 2003 schloss der Eigentümer einer Immobilie mit einem Gastwirt einen Mietvertrag über Räume zum Betrieb eines Restaurants. Das Mietverhältnis war ursprünglich bis zum 31.3.2013 befristet; es endete jedoch vorzeitig durch einen im Jahr 2004 abgeschlossenen Mietaufhebungsvertrag. In diesem Vertrag hat sich der Mieter verpflichtet, an den Vermieter die Differenz zwischen der bisherigen Miete und dem bei der Weitervermietung erzielbaren künftigen Mietzins zu bezahlen. Der Eigentümer hat die Räume ab 1.8.2004 zu einer geringeren Miete weitervermietet. Der Mieter hat den Ausgleichsbetrag zunächst bezahlt.
Im Dezember 2005 hat der Eigentümer seinen Anspruch auf die Mietdifferenz an einen Dritten abgetreten. Der ehemalige Mieter hat die Ausgleichszahlungen in der Folgezeit an den Erwerber der Forderung gezahlt.
Mit Beschluss vom 20.6.2006 wurde über das Grundstück auf Antrag eines Grundpfandgläubigers die Zwangsverwaltung angeordnet und ein Zwangsverwalter bestellt. Der Zwangsverwalter vertritt die Ansicht, dass die Ausgleichszahlungen von der Beschlagnahme des Grundstücks erfasst worden sind.
Der ehemalige Mieter des Restaurants hat die Ausgleichszahlungen wegen der Unsicherheit betreffend des Gläubigers ab September 2006 beim Amtsgericht hinterlegt.
Der BGH hatte zu entscheiden, wem die Zahlungen zustehen.
1. Wird die Zwangsvollstreckung – wie hier – durch einen Grundpfandgläubiger betrieben, so umfasst die Beschlagnahme nach §§ 146 Abs. 1, 20Abs. 2 ZVG auch diejenigen Gegenstände, auf welche sich bei einem Grundstück die Hypothek erstreckt. Ist das Grundstück vermietet oder verpachtet, erstreckt sich die Hypothek gem. § 1123 Abs. 1 BGB auf die Miet- oder Pachtforderung. Die vor der Beschlagnahme bezahlten Mieten werden von der Beschlagnahme nicht erfasst (§ 1124 Abs. 1 BGB).
Anders ist es hinsichtlich solcher Zahlungen, die als Vorausverfügungen über die Miete zu bewerten sind (§ 1124 Abs. 2 BGB). Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht angenommen. Der BGH führt demgegenüber aus, dass die Ausgleichszahlungen nicht als "Mietforderung" i.S.d. §§ 1123 Abs. 1, 1124 Abs. 2 BGB anzusehen sind, weil das Mietverhältnis durch den im Jahr 2004 geschlossenen Mietaufhebungsvertrag beendet worden ist. Die Ausgleichszahlung ist deshalb nicht als Mietzins, sondern als eigenständige Forderung zu bewerten, durch die der Mietausfallschaden ausgeglichen werden soll.
2. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Erweiterung der Beschlagnahme über den gesetzlichen Umfang hinaus für solche Forderungen in Betracht, die an die Stelle einer Mietzinsforderung treten und einen Ausgleich für die Nutzung des Grundstücks darstellen (BGH, Urteil v. 23.7.2003, XII ZR 16/00, WuM 2003 S. 510). Dies gilt insbesondere für die Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der Mietsache, weil diese Forderung an die Stelle des Anspruchs auf die Miete tritt. Zu dieser Gruppe zählt der Ausgleichsanspruch aber ebenfalls nicht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 8.12.2010, XII ZR 86/09, GE 2011 S. 335