Leitsatz
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht kommt nicht in Betracht, wenn der Mieter im Berufungsverfahren keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt oder (bei übergangenem Antrag) keine Urteilsergänzung beantragt hat.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
ZPO § 719 Abs. 2
Kommentar
Wird ein Mieter im Berufungsverfahren zur Räumung verurteilt, so ist das Urteil gem. § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheit zu erklären. Das Gericht hat gem. § 711 S. 1 ZPO auszusprechen, dass der Mieter die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Vermieter vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Aus diesen Vorschriften folgt, dass der Vermieter aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Dies kann der Mieter vermeiden, wenn er einen Schutzantrag gem. § 712 Abs. 1 ZPO stellt. Danach kann das Berufungsgericht dem Mieter gestatten, die Vollstreckung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Vermieters abzuwenden.
Hat der Mieter einen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt und wird dieser Antrag vom Berufungsgericht übergangen, kann der Mieter Urteilsergänzung gem. §§ 716, 321 ZPO beantragen. Gleiches gilt, wenn das Berufungsgericht keine Entscheidung gem. § 711 S. 1 ZPO getroffen hat.
Stellt der Mieter keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO oder beantragt er bei übergangenem Antrag oder unterlassener Entscheidung gem. § 711 ZPO keine Urteilsergänzung, stellt sich die Frage, ob das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen kann, wenn der Mieter gegen das Räumungsurteil eine vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt hat. Dieselbe Rechtsfrage stellt sich, wenn die Revision nicht zugelassen wurde und der Mieter gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde erhebt; dies ist möglich, wenn die Monatsmiete mehr als 476,20 EUR beträgt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht setzt gem. § 719 Abs. 2 ZPO voraus, dass die Vollstreckung dem Mieter einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Diese Voraussetzungen werden vom BGH in ständiger Rechtsprechung verneint, wenn der Mieter keinen Schutzantrag nach § 712 ZPO gestellt oder keine Urteilsergänzung beantragt hat (BGH, Beschluss v. 16.2.1984, III ZR 87/83; BGH, Beschluss v. 27.8.1998, XII ZR 167/98; BGH, Beschluss v. 24.11.1999, XII ZR 69/99; BGH, Beschluss v. 9.8.2004, VIII ZR 178/04).
Dem Mieter ist dann nur noch durch eine Verlängerung der Räumungsfrist zu helfen. Dieser Antrag ist aber nicht beim BGH, sondern beim Gericht der ersten Instanz zu stellen (§ 721 Abs. 4 ZPO).
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 30.06.2008, VIII ZR 98/08BGH, Beschluss v. 30.6.2008, VIII ZR 98/08, WuM 2008, 613