A. Vorbemerkung
Rz. 1
Der Nordteil von Zypern, etwa ein Drittel der Gesamtfläche der Insel, ist seit 1974 von türkischen Truppen besetzt. Am 15.11.1983 wurde dort die "Türkische Republik Nord Zypern" (Turkish Republic Northern Cyprus – TRNC) ausgerufen. Faktisch handelt es sich hierbei um einen Satellitenstaat mit einem Marionettenregime der türkischen Regierung in Ankara. Der im Norden der Insel gebildete Staat wird im Wesentlichen nur von der Regierung der Türkei völkerrechtlich anerkannt und ist politisch weitgehend isoliert.
Rz. 2
Ohne Rücksicht auf eine weiterhin ausbleibende völkerrechtliche Anerkennung der Republik Nordzypern ist zivilrechtlich jedoch vom de facto-Zustand auszugehen. Trotz der fehlenden diplomatischen Anerkennung ist also bei der Anknüpfung des Erbstatuts das dort effektiv geltende Rechtssystem der Republik Nordzypern zu beachten.
Rz. 3
Auf dem Bereich des Erbrechts wird das noch aus der britischen Kolonialzeit stammende Wills and Succession Law (Chapter 195 of the Laws of Cyprus) aus dem Jahre 1945 in Nordzypern weiterhin angewandt – wobei sich wegen in der Republik Zypern zwischenzeitlich ergebenden Gesetzesänderungen, die im Nordteil nicht anerkannt werden, mittlerweile eine Reihe von Abweichungen ergeben. Insoweit gilt dieses Gesetz also im Nordteil der Republik Zypern – in der bis zur Teilung der Insel geltenden Fassung – fort.
B. Internationales Erbrecht
Rz. 4
Die Europäische Erbrechtsverordnung gilt zwar de jure auch in Nordzypern, da die gesamte Insel Mitglied der EU ist. Faktisch wird sie dort aber nicht angewandt. Vielmehr gelten im Internationalen Erbrecht die Grundsätze des englischen common law fort, wie sie in der Republik Zypern bis zum Anwendungsstichtag für die EuErbVO galten. Dies bedeutet insbesondere, dass sich eine Ferienwohnung, die der deutsche Erblasser in Nordzypern erworben hat, als Immobilie aus dortiger Sicht nach dem nordzypriotischen Belegenheitsrecht (lex rei sitae) vererbt.
C. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 5
Die gesetzliche Erbfolge ist teilweise anders geregelt als im Süden der Insel. So erhält der überlebende Ehegatte neben den legitimen Abkömmlingen des Erblassers einen Kindeserbteil, höchstens aber eine auf ein Sechstel fixierte Quote (Sect. 44 (a) Wills and Succession Law). Sind keine erbberechtigten Kinder oder andere Abkömmlinge vorhanden, so erhält der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses, während (2. Ordnung) die andere Hälfte an die Eltern und die Geschwister des Erblassers fällt.
Rz. 6
Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass das gesetzliche Erbrecht für Abkömmlinge nur dann besteht, wenn diese entweder ehelich geboren oder aber durch nachfolgende Eheschließung legitimiert worden sind. Andere nichteheliche Kinder erben also nicht. Der nichteheliche Lebensgefährte hat kein Erbrecht.
D. Testamentarische Erbfolge
Rz. 7
Die Testierfähigkeit tritt mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Ordentliche Testamentsform ist das Zwei-Zeugen-Testament, das vom Erblasser und von den Zeugen gemeinsam am Ende und am Ende jeder Seite unterschrieben werden muss. Daneben gilt das Washingtoner Abkommen über ein einheitliches Recht der Form eines Internationalen Testaments vom 26.10.1973.
Rz. 8
Im Testament kann der Erblasser Vermächtnisse aussetzen und einen Testamentsvollstrecker (executor) ernennen.
Rz. 9
Hinterlässt der Erblasser Abkömmlinge, belaufen sich die Pflichtteile dieser gemeinsam ggf. mit dem Ehegatten auf zwei Drittel des Nachlasses (Sect. 41 (a) Wills and Succession Law). Sind in zweiter Ordnung die Eltern und der Ehegatte berufen, können diese als Pflichtteil die Hälfte des Nachlasses geltend machen (Sect. 41 (b) Wills and Succession Law). Diese strengen Pflichtteilsregelungen gelten allerdings nicht für den beweglichen Nachlass von Ausländern, selbst wenn diese ihr domicile in Zypern hatten, wohl aber für ihre auf Zypern belegenen Immobilien. Die Ausnahme von den Pflichtteilsregelungen für die Erbfolge nach einem Erblasser, der selbst bzw. dessen Vater im Vereinigten Königreich oder in einem Mitgliedstaat des britischen Commonwealth geboren worden ist, gelten auch in Nordzypern.
E. Erbschaftsteuer
Rz. 10
Anders als im Süden ist in Nordzypern die Erbschaftsteuer nicht abgeschafft worden. Für jeden Nachlass wird ein Grundfreibetrag in Höhe eines jährlich angepassten Betrages gewährt. Der übersteigende Wert des Nachlasses wird mit 1 % besteuert.
Rz. 11
Die Erbschaftsteuer kann durch vorweggenommene Erbfolge vermieden werden. Schenkungen werden von der Erbschaftsteuer nicht erfasst. Eine Schenkungsteuer gibt es nicht. Die Schenkung von Grundstücken unterliegt stattdessen allein der ...