Ersetzung der Einwilligung eines Vaters in eine Adoption
In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat der BGH sich mit den Voraussetzungen beschäftigt, unter denen eine vom Kindesvater verweigerte Einwilligung zu einer Adoption seines 6-jährigen Kindes durch das Familiengericht ersetzt werden kann. Das Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters zur Adoption eingeleitet hatte das zum Vormund des Kindes eingesetzte Jugendamt.
Kind lebt bei Adoptivpflegeeltern
Das betroffene Kind kam im März 2017 in Hamburg als Frühgeburt zur Welt. Die bei der Geburt drogenabhängige Kindesmutter ist unbekannten Aufenthalts. Wegen eines starken Drogenentzugssyndroms bedurfte das Kind nach der Geburt intensivmedizinischer Behandlung und wurde anschließend vom Jugendamt in Obhut genommen. Im Juli 2017 wurde das Kind auf Vermittlung des Jugendamtes in Adoptionspflege gegeben und lebt seither bei seinen Adoptivpflegeeltern, die eine Adoption des Kindes anstreben.
Kindesvater drogensüchtig und straffällig
Der Kindesvater besitzt die türkische Staatsangehörigkeit, ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten, hat selbst umfangreich Drogen konsumiert, war mehrfach inhaftiert und hat sich einer suchttherapeutischen Behandlung unterzogen. Er ist Vater von 2 weiteren Kindern, die mit ihrer Mutter in der Türkei leben.
Vater verweigert Einwilligung in Adoption
Erst im Jahr 2019 hat der Kindesvater von seiner Vaterschaft erfahren und erfolgreich eine Vaterschaftsfeststellung durchgesetzt. Seit September 2018 betreiben die Adoptivpflegeeltern in einem Parallelverfahren die Adoption, zu der der Kindesvater die Einwilligung verweigert. Die Vorinstanzen haben über den Antrag des Jugendamtes auf Ersetzung der Einwilligung des Vaters zur Adoption unterschiedlich entschieden. Während das AG dem Antrag stattgegeben hat, hat das OLG in der Berufungsinstanz zugunsten des Kindesvaters entschieden.
Voraussetzungen für die Ersetzung der Einwilligung zur Adoption
Der BGH hat in seiner Entscheidung zunächst auf den sich aus § 1747 BGB ergebenden Grundsatz verwiesen, wonach zur Durchführung einer Adoption die Einwilligung der Eltern erforderlich ist. Diese kann gemäß § 1748 BGB durch das Familiengericht ersetzt werden, wenn
- ein Elternteil seine Pflichten gegenüber dem Kind gröblich verletzt hat oder
- er durch sein Verhalten gezeigt hat, dass ihm das Kind gleichgültig ist.
- Weitere Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass aus dem Unterbleiben der Adoption für das Kind ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen würde.
- Bei einer nicht schwerwiegenden Pflichtverletzung kann die Einwilligung ersetzt werden, wenn das Kind voraussichtlich dauerhaft nicht mehr der Obhut des die Einwilligung verweigernden Elternteils anvertraut werden kann.
- Schließlich kann gemäß § 1748 Abs. 3 die Einwilligung ersetzt werden, wenn der betreffende Elternteil wegen starker seelischer oder psychischer Einschränkungen zur Pflege und Erziehung des Kindes dauerhaft unfähig ist.
Ersetzung verlangt Berücksichtigung des Vorverhaltens
Diese Grundsätze gelten nach der Entscheidung des BGH auch gegenüber einem nicht sorgeberechtigten Vater. Aus der erforderlichen verfassungskonformen Auslegung des § 1748 Abs. 4 BGB folge darüber hinaus, dass die Ersetzung der Einwilligung in eine Adoption eine Berücksichtigung des Vorverhaltens des Vaters verlangt. Auch wenn ein gelebtes Vater-Kind-Verhältnis fehle, komme eine Ersetzung der Einwilligung regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Vater selbst durch sein Verhalten das Scheitern eines solchen Verhältnisses zu verantworten hat.
Adoption muss für Kind erheblichen Vorteil bringen
Bei der Prüfung, ob das Unterbleiben der Adoption für das Kind einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte, sind laut BGH die Interessen des Kindes an der Adoption gegen die Interessen des Vaters am Fortbestand seines Elternrechts abzuwägen. Ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehe dabei nicht schon durch ein bloßes überwiegendes Kindesinteresse, vielmehr müsse die Adoption für das Kind einen so erheblichen Vorteil bieten, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Verwandtschaftsbandes nicht bestehen würde (BGH, Beschluss v. 23.3.2005, XII ZB 10/03).
Umgangsrecht des leiblichen Vaters auch nach Adoption möglich
Aufseiten des Kindes kommt nach der Entscheidung des BGH dem durch die Adoption entstehenden dauerhaften rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnis, aufseiten des Kindesvaters der Verlust des Elternrechts besonderes Gewicht zu. Hierbei sei die neuere Rechtsentwicklung zu berücksichtigen. Gemäß § 1686a BGB sei ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters auch im Falle einer Adoption nicht mehr ausgeschlossen.
Kindesanhörung darf nur bei erheblichen Gründen unterbleiben
Zur Ermittlung der Interessen des Kindes ist laut BGH zwingend eine Anhörung des Kindes erforderlich, wenn diese unter Berücksichtigung des Kindesalters und des Entwicklungsstandes durchführbar ist. In diesem Zusammenhang stellte der BGH den Grundsatz auf, dass die Anhörung nicht wegen fehlender Kenntnis des Kindes über die Abweichung seiner leiblichen von seinen biologischen Eltern unterbleiben darf. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass nach dem Adoptionshilfegesetz die Adoptionsvermittlungsstelle die Adoptionsbewerber über die Bedeutung der Kenntnis des Kindes von seiner biologischen Herkunft aufzuklären hat.
Interessenabwägung der Vorinstanz war lückenhaft
Im konkreten Fall hatte das Berufungsgericht nach Auffassung des BGH nicht hinreichend die Fähigkeit bzw. Unfähigkeit des Kindesvaters geprüft, auf Dauer elterliche Verantwortung wahrzunehmen, zu berücksichtigen sei auch, dass der Vater aufgrund seiner Straffälligkeit und seiner Drogenabhängigkeit während der ersten Lebensjahre seines Kindes diesem faktisch nicht als Elternteil zur Verfügung gestanden habe. Demgegenüber spreche im konkreten Fall viel für eine stabile und enge Bindung zwischen dem Kind und den Adoptivpflegeeltern. Darüber hinaus seien weitere wichtige Rechtsposition des Kindes wie Unterhaltsansprüche, das gesetzliche Erbrecht, das Namens- und das Staatsangehörigkeitsrecht mit einer Adoption verbunden.
OLG muss erneut entscheiden
Nach Auffassung des BGH hat die Vorinstanz diese mit einer Adoption verbundenen Interessen des Kindes bisher nicht ausreichend gewürdigt. Insbesondere hätte es nicht von einer persönlichen Anhörung des inzwischen 6-jährigen Kindes absehen dürfen. Die Vorinstanz habe bei der Interessenabwägung insgesamt deutlich zu kurz gegriffen. Daher hat der BGH deren Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.
(BGH, Beschluss v. 6.12.2023, XII ZB 485/21)
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