Der Unterhaltspflichtige muss seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen und ist grundsätzlich verpflichtet, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen (BGH, Urteil v. 20.02.2008, XII ZR 101/05).
Engagierte Arbeitssuche ist bei Unterhaltpflicht gegenüber minderjährigen Kindern zwingend
Soweit der Unterhaltspflichtige keine Arbeit hat, muss er sich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig darum bemühen, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Die Bewerbungsbemühungen müssen die nötige Nachhaltigkeit erkennen lassen und dürfen keine ungeklärten zeitlichen Lücken aufweisen.
Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der im Falle einer Arbeitslosigkeit regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen. Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken.
Der Unterhaltspflichtige trägt im Verfahren die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen in welchem zeitlichen Abstand in dieser Richtung unternommen hat (OLG Hamm, Beschluss v. 23.12.2015, II-2 UF 213/15).
Checkliste zur Dokumentation Bewerbungsbemühung
Zur Dokumentation der Bewerbungsbemühungen bietet sich für den Unterhaltspflichtigen folgende Checkliste (nach Büte, FK 2015, 31) an:
- Verfasste Bewerbungsschreiben chronologisch geordnet, durchnummeriert,
- erhaltene Antwortschreiben (Absagen, Einladungen zu Vorstellungsgesprächen) auf die Bewerbungsschreiben, chronologisch geordnet und durchnummeriert, bei telefonischen bzw. persönlichen Vorsprachen: kurze Notiz mit Datum, Ansprechpartner, Stellenbeschreibung und Inhalt des Gesprächs,
- selbst geschaltete Anzeigen in Tageszeitungen, Wochenblättern in Kopie,
- Aufstellung über Termine beim Arbeitsamt/privaten Arbeitsvermittlern/Zeitarbeitsfirmen mit Datum, Ansprechpartner, Inhalt des Gesprächs,
Dokumentation der Arbeitssuche im Internet durch Ausdruck der entsprechenden Recherche
Selbst wenn der Unterhaltspflichtige einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgeht, kann eine Obliegenheit zur Aufnahme einer darüberhinausgehenden Nebentätigkeit bestehen, soweit der Mindestunterhalt ohne dieses zusätzliche Einkommen nicht geleistet werden kann. Allerdings sind im Rahmen der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit trotz der gesteigerten Unterhaltspflicht Grenzen zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus den Vorschriften des Arbeitsschutzes und den Umständen des Einzelfalls ergeben (BGH, Beschluss v. 24.09.2014, XII ZB 111/13). Die Anforderungen dürfen nicht dazu führen, dass eine Tätigkeit trotz der Funktion des Mindestunterhalts, das Existenzminimum des Kindes zu sichern, unzumutbar erscheint (BGH, Urteil v. 03.12.2008, XII ZR 182/06).
Checkliste zur Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit
In der Praxis bietet es sich an, für die Prüfung der individuellen Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit folgende Checkliste (nach Viefhues, FuR 2014, 198; Büte, FK 2015, 31) durchzugehen:
Aspekte zum Hauptberuf:
- vorhandene Belastung durch den Hauptberuf,
- tatsächlich anfallende Überstunden,
- wechselnde Arbeitszeiten (Schichtdienst),
- lange Fahrzeiten bei der bestehenden Erwerbstätigkeit (Montagetätigkeit),
- Fahrzeiten zur Arbeitsstelle,
Aspekte zur Nebentätigkeit:
- Art der möglichen Nebentätigkeit,
- konkrete Voraussetzungen beim Unterhaltspflichtigen (objektive berufliche Voraussetzungen, Kenntnisse, Fähigkeiten, berufliche Vorbildung, persönliche Einsatzmöglichkeiten),
- Verfügbarkeit von einschlägigen Nebentätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt,
- Belastungen durch die Nebentätigkeit,
- zeitlicher Aufwand,
- Koordination mit den Zeiten des Hauptberufs,
- Zeitaufwand für die Fahrten zur Nebentätigkeit,
- körperliche und psychische Belastung,
- Fahrtkosten.
Persönliche Aspekte:
- gesundheitliche Gesichtspunkte,
- Notwendigkeit regelmäßiger Freizeit als Erholungszeiten,
- zeitlicher Umfang des Umgangs mit den Kindern,
- besondere Kosten des Umgangsrechts,
- Übernahme von Erziehungs- und Betreuungsaufgaben gegenüber seinen Kindern, auch in einer neuen Familie,
- zeitlicher Aufwand für die Eigenversorgung,
- Belastung durch die eigene Haushaltstätigkeit.
Fiktive Einkünfte des Unterhaltspflichtigen
Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausübt, obwohl er dies könnte, können nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die fiktiv erzielbaren Einkünfte berücksichtigt werden. Wird ein fiktiv anzusetzendes Einkommen zugerechnet, sind auch entsprechende Belastungen – wie insbesondere Steuern, Sozialversicherungskosten, berufsbedingte Aufwendungen - fiktiv in angemessener Höhe in Abzug zu bringen.