Alleiniges Sorgerecht bei häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt des Kindesvaters gegen die Kindesmutter im Beisein der Kinder kann die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter bereits vor Scheidung der Eheleute rechtfertigen.

Mit einem 1.10.2024 veröffentlichten Entscheidung hat das OLG Frankfurt die Beschwerde eines Vaters gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter während der Trennungszeit der Eheleute zurückgewiesen.

Alleiniges Sorgerecht bei Getrenntleben nur im Ausnahmefall

Im Zentrum des vom OLG entschiedenen Falls stand die Auslegung der sorgerechtlichen Vorschrift des § 1671 BGB. Gemäß § 1671 Abs. 1 BGB steht die elterliche Sorge im Falle des Getrenntlebens den Eltern gemeinsam zu. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist die elterliche Sorge einem Elternteil alleine zuzuweisen. Ein solcher Fall ist gemäß § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter anderem dann gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Bereits 2 Gewaltschutzmaßnahmen gegen Kindesvater

Das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat das OLG Frankfurt im konkreten Fall bejaht. Nach Trennung der Eltern im Herbst 2020 lebten die beiden, zum heutigen Zeitpunkt 5 und 9 Jahre alten Kinder, bei der Kindesmutter. Gegen den Vater verfügte das zuständige Familiengericht im Jahr 2021 und erneut Ende 2023 jeweils ein für halbes Jahr gültiges Näherungs- und Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz. In diesem Zusammenhang hatte das Familiengericht auf Antrag der Mutter dieser das alleinige Sorgerecht für beide Kinder übertragen.

Alleiniges Sorgerecht, wenn das Kindeswohl dies erfordert

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Mutter hatte beim OLG keinen Erfolg. Die Übertragung der elterlichen Sorge alleine auf die Kindesmutter war nach Auffassung des OLG gemäß § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum Wohle der Kinder aus mehreren Gründen geboten.

Gemeinsames Sorgerecht setzt Kommunikationsfähigkeit beider Eltern voraus

Nach der Entscheidung des OLG setzt die Ausübung einer gemeinsamen elterlichen Sorge eine tragfähige soziale Beziehung zwischen dem Kindesvater und der Kindesmutter voraus, die eine zur Ausübung der elterlichen Sorge erforderliche Kommunikation der Eltern auf Augenhöhe ermöglicht. Eine solche Kommunikationsmöglichkeit auf Augenhöhe bestand im konkreten Fall nach der Ansicht des Senats zwischen den Parteien nicht. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der Vater die Mutter in der Vergangenheit mehrfach körperlich angegriffen und sie sogar mit dem Tode bedroht. Sein Verhalten sei wiederholt impulsiv und unkontrolliert und verhindere eine Kommunikation zwischen den Eltern auf Augenhöhe.

Kindesvater mit latenter Gewaltbereitschaft

Das Gericht bescheinigte dem Kindesvater ein erhöhtes Aggressionspotenzial und eine ständig latente Gewaltbereitschaft. Er sei nicht in der Lage, sich in sorgerechtlichen Fragen in sachlicher Weise mit der Kindesmutter abzustimmen. Er habe in der Vergangenheit eine grundsätzliche Unfähigkeit zu einem respektvollen Umgang mit der Kindesmutter bewiesen und sich an gerichtliche Schutzanordnungen mehrfach nicht gehalten. Angesichts dieser Verhaltensweisen sei es für die Kindesmutter nicht zumutbar, die im Rahmen der elterlichen Sorge erforderlichen Abstimmungen mit dem Kindesvater gemeinsam vorzunehmen.

Der Wille der Kinder ist zu berücksichtigen

Darüber hinaus hatte das OLG die Kinder nach ihren Wünschen befragt. Diese hatten sich übereinstimmend für die Übertragung der elterlichen Sorge alleine auf die Mutter ausgesprochen. Der Wille der Kinder sei trotz ihres geringen Alters zu beachten, zumal die Kinder die gegenüber der Mutter ausgeübte Gewalt durch den Beschwerdeführer einschließlich diverser, vom Kindesvater ausgesprochener Todesdrohungen, persönlich miterlebt hätten. Diese von den Kindern miterlebte Gewalt bewertete das OLG als eine spezielle Form der Kindesmisshandlung mit erheblichem Risikopotenzial für die kindliche Entwicklung.

Entziehung der elterlichen Sorge ist verhältnismäßig

Die Entziehung der elterlichen Sorge gegenüber dem Kindesvater und die Zuweisung der alleinigen elterlichen Sorge an die Kindesmutter ist nach Auffassung des OLG im konkreten Fall auch verhältnismäßig. Ein milderes und gleich effektives Mittel zum Schutz des Kindeswohls stehe nicht zur Verfügung.

Beschwerde des Kindesvaters zurückgewiesen

Der Beschwerde des Kindesvaters gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Kindesmutter blieb daher der Erfolg versagt.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 10.9.2024, 6 UF 144/24)


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