Testierfähigkeit: Wirksames Testament trotz Demenz

Nicht jede Form von Demenz führt automatisch zur Testierunfähigkeit. Auch eine an Demenz erkrankte Person kann aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten noch zur wirksamen Errichtung eines Testaments in der Lage sein.

In einer aktuellen Entscheidung hat das LG Frankenthal das notarielle Testament einer Erblasserin trotz leichter Demenz als wirksam angesehen.

Testamentsvollstrecker beantragte Eilrechtsschutz

Im konkreten Fall war ein Testamentsvollstrecker gegen die letztwillige Verfügung einer verstorbenen Frau im Wege des Eilrechtsschutzes vorgegangen. Mit seinem bei Gericht eingereichten Eilantrag wollte er den Eigentumsübergang eines wertvollen Anwesens in Ludwigshafen auf den testamentarisch bedachten Sohn einer Freundin der Erblasserin verhindern.

Testierunfähigkeit infolge Demenz?

Der Testamentsvollstrecker war der Auffassung, die Erblasserin sei bei der notariellen Errichtung ihres Testaments kurz vor ihrem Tod nicht mehr in der Lage gewesen, die Tragweite und die Bedeutung ihrer letztwilligen Verfügung zu erfassen. Dem Gericht legte er diverse Arztbriefe vor. Darin wurden u.a. eine „beginnende demenzielle Entwicklung“ der Erblasserin und schließlich eine „bekannte Demenz“ der 90-Jährigen kurz vor ihrem Tod bescheinigt.

Notar hielt Erblasserin für testierfähig

Der mit der Aufnahme des Testaments beauftragte Notar bescheinigte der Erblasserin, die keine pflichtteilsberechtigten Angehörigen hatte, er halte sie für unbeschränkt geschäfts- und testierfähig. Dies hielt der Notar in einem Zusatz zur notariellen Urkunde ausdrücklich fest.

Demenzielle Erkrankung führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit

Das zuständige LG wies den Eilantrag des Testamentsvollstreckers ab. Nach der Auffassung des LG kann eine an Demenz erkrankte Person zwar testierunfähig sein, jedoch führe nicht jede Art von Demenz automatisch zur Testierunfähigkeit. Eine Demenzerkrankung entwickele sich regelmäßig in bestimmten Stufen, wobei zwischen leichter, mittelschwerer und schwerer Demenz zu unterscheiden sei. Entscheidend komme es auf die Urteilsfähigkeit der testierenden Person zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an. Eine an leichter Demenz erkrankte Person könne durchaus kognitiv in der Lage sein, sich ein Urteil über die Tragweite und Bedeutung ihrer in einem Testament getroffenen Verfügungen zu bilden. Bei einer bloß leichtgradigen Demenz sei dies sogar regelmäßig der Fall.

Kläger muss im Hauptsacheverfahren Testierunfähigkeit beweisen

Im vorliegenden Fall sprachen nach Auffassung des Gerichts die Umstände für eine leichtgradige Demenz, zumal auch der das Testament aufnehmende Notar von der Testierfähigkeit der Erblasserin überzeugt war. Es sei Sache des Testamentsvollstreckers zu beweisen, dass es an der Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung fehlte, denn die Beweislast für die Testierunfähigkeit trage grundsätzlich derjenige, der sich darauf beruft. Da der Antragsteller nicht einmal dargelegt habe, welcher Grad an Demenz im konkreten Fall vorgelegen haben sollte, hatte das Gericht erhebliche Zweifel, dass dem Kläger ein solcher Nachweis im Hauptsacheverfahren gelingen könnte.

Eilantrag zurückgewiesen

Da der Eilantrag keine verlässlichen und nachvollziehbaren Angaben zum Grad der Demenz und einer daraus möglicherweise folgenden Testierunfähigkeit enthielt, hielt das Gericht ein Obsiegen des Testamentsvollstreckers im Hauptsacheverfahren für unwahrscheinlich und wies den Antrag auf Eilrechtsschutz mit diesem Argument zurück.

(LG Frankenthal, Beschluss v. 18.7.2024, 8 O 97/4)


Hintergrund:

Die Testierfähigkeit ist im Gesetz anders als die Geschäftsfähigkeit geregelt. Die Testierfähigkeit einer Person tritt gem. § 2229 Abs. 1 BGB mit Vollendung des 16. Lebensjahres ein.

Fehlende Testierfähigkeit infolge kognitiver Beeinträchtigungen

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Rechtsprechung hat diverse weitere Kriterien zur Beurteilung der Testierfähigkeit entwickelt. Dazu gehören

  • die Fähigkeit zu selbstständigen und eigenverantwortlichen Entscheidungen, und zwar frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter (OLG Bamberg, Beschluss v. 22.5.2015, 4 W 16/14),
  • die Urteilsfähigkeit über die Tragweite und Wirkungen eines Testaments auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen (OLG Hamm, Urteil v. 13.7.2017, 10 U 76/16).

Demenzerkrankungen meistens irreversibel

Umstritten war lange Zeit, inwieweit ein an einer fortgeschrittenen Demenz erkrankter Erblasser kurzzeitig in sogenannten lichten Momenten - luzide Intervalle - vorübergehend die Testierfähigkeit wiedererlangen kann. Heute wird dies für die meisten Demenzformen überwiegend verneint, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Verlauf der meisten Demenzerkrankungen - mit gewissen Ausnahmen bei der vaskulären Demenz - irreversibel ist (OLG München, Urteil v. 1.7.2013, 31 Wx 266/12).


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