Voller Zugang der Erben zum Instagram-Account des Erblassers
Bisher hält die Rechtsprechung noch keine eindeutigen Antworten auf die Zugangsmöglichkeiten von Erben zum Instagram-Account des Erblassers bereit. Das OLG Oldenburg hat in einer aktuellen Entscheidung einer Erbin nun den vollen Zugriff auf den Instagram-Account ihres verstorbenen Ehemannes zuerkannt.
Account nach Tod des Nutzers im Gedenkzustand
In dem vom OLG entschiedenen Fall ging es um einen Gewinner der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ aus dem Jahr 2017. Dieser war aktiver Instagram-Nutzer. Nach seinem Tod im Jahr 2019 nutzte seine Ehefrau als Alleinerbin den Instagram-Account aktiv weiter. Als die Betreiberin des Accounts, das Unternehmen Meta (ehemals Facebook), vom Tod ihres Nutzers erfuhr, versetzte es den Account in den sogenannten „Gedenkzustand“, d.h. der Account bleibt sichtbar, ist aber nicht mehr aktiv nutzbar.
OLG gewährt vollen, aktiven Zugang zum Account
Die Ehefrau als Alleinerbin verklagte die Betreiberin des Accounts Meta auf Gewährung eines vollständigen, aktiven Zugangs. Erstinstanzlich hatte ihre Klage teilweise Erfolg. Das LG sprach ihr die vollständigen Leserechte zu, wies die Klage aber im Übrigen ab. Im Berufungsverfahren gewährte das OLG der Klägerin den vollen, uneingeschränkten Zugang sowie sämtliche aktiven Nutzungsmöglichkeiten.
Universalsukzession erfasst sämtliche Vermögenswerte
Gemäß § 1922 BGB gilt in Deutschland im Erbrecht der Grundsatz der Universalsukzession, d.h. das gesamte Vermögen eines Erblassers geht mit dem Tod gemäß § 1922 BGB auf die Erben über. Damit würde auch ein Nutzungsrecht an einem Instagram-Account grundsätzlich im Wege der Universalsukzession auf die Erben übergehen, vorausgesetzt, das Nutzungsrecht ist als Bestandteil des Vermögens des Erblassers zu qualifizieren. Die Frage ist also, ob das Nutzungsrecht an einem Instagram-Account einen Vermögenswert darstellt oder ob dieses Nutzungsrecht einen nicht-vermögensrechtlichen, höchstpersönlichen Charakter hat, der einem Rechtsübergang entgegenstehen könnte.
Grundsatzurteil des BGH zum digitalen Nachlass
Das OLG stützte sich in seiner Entscheidung weitgehend auf die Rechtsprechung des BGH. Im Jahr 2018 hat der BGH geurteilt, dass ein Online-Account bei Facebook Teil des digitalen Nachlasses des Erblassers und damit Teil von dessen Vermögen ist (BGH, Urteil v. 12.7.2018, III ZR 183/17). Hiernach darf Facebook den Erben den Zugang zum Account nicht vorenthalten. Der Zugang muss für die Erben nach einer weiteren Entscheidung genauso leicht möglich sein wie zuvor für den Erblasser (BGH, Beschluss v. 27.8.2020, III ZB 30/20). Nach diesen Entscheidungen könnte auch ein Instagram-Account einen Vermögenswert im Rahmen des digitalen Nachlasses darstellen und damit im Wege der Universalsukzession auf die Erben übergehen.
BGH hatte Frage eines Rechts auf aktive Nutzung offengelassen
Auf diese Grundsatzentscheidungen des BGH stützte sich nun auch das OLG im aktuellen Fall. Der Senat verkannte dabei nicht, dass der BGH zwar eine Zugehörigkeit des Facebook-Kontos zum digitalen Nachlass bejaht hatte, in seiner Entscheidung aber ausdrücklich offengelassen hat, ob der in Deutschland herrschenden Grundsatz der Universalsukzession auch die aktive Nutzung eines solchen Accounts erfasst.
Ist ein Instagram-Account höchstpersönlicher Natur?
Das Recht der Erben auf aktive Nutzung hat das OLG in seinem aktuellen Urteil nun eindeutig bejaht. Dem Übergang auch des aktiven Nutzungsanspruchs könne allenfalls ein möglicher höchstpersönlicher Charakter der von Instagram an den Nutzer zu erbringenden Leistungen sowie ein persönliches, eine Nutzung durch Dritte ausschließendes Vertrauensverhältnis zwischen Instagram und seinen Nutzern entgegenstehen. Eine solche höchstpersönliche Natur der von Instagram gegenüber seinen Nutzern erbrachten Leistungen verneinte der Senat im Ergebnis.
Die Leistungen von Instagram sind technischer Natur
Die Betreiberin erbringt nach Einschätzung des OLG die Leistungen von Instagram gegenüber diversen Nutzern in immer der gleichen Weise auf der Grundlage immer gleicher Vertragsbedingungen unabhängig von der Person des Nutzers. Die Leistungen seien in ihrem Gesamtcharakter technischer und nicht persönlicher Natur. Diese Position entspricht einer Entscheidung des LG Berlin, wonach auch bei einem Facebook-Konto der „Gedenkzustand“ ohne aktives Nutzungsrecht nach dem Tod des Nutzers das Erbrecht der Erben in zu starker Weise beschränkt (LG Berlin, Urteil v. 17.12.2015, 20 O 172/15).
Primärer Leistungsanspruch der Erben
Nach den Facebook-Entscheidungen des BGH scheidet eine erbrechtliche Differenzierung nach reinen Vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten sogar aus. Der BGH verweist auf die in §§ 2047 Abs. 2, 2373 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung, wonach auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten wie Tagebücher und persönliche Briefe Gegenstand des Nachlasses sind. Der BGH betonte, dass Erben im Verhältnis zum Erblasser nicht als Dritte anzusehen sind, da sie gemäß § 1922 BGB vollständig in die Rechtsposition des Erblassers einrücken, an dessen Stelle treten und daher einen primären Leistungsanspruch auf Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin haben.
Revision ausdrücklich zugelassen
Im Ergebnis hat das OLG der Berufung der Ehefrau gegen den klageabweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils stattgegeben. Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache hat der Senat ausdrücklich die Revision zugelassen. Es steht zu erwarten, dass Meta von dem Rechtsmittel Gebrauch machen wird.
(OLG Oldenburg, Urteil v. 30.12.2024 13 U 116/23)
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