Gewaltschutzgesetz: WhatsApp-Kontaktverbot möglich?

Wurde einem ehemaligen Lebensgefährten ein Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz auferlegt, darf er dennoch an größeren WhatsApp-Gruppen, an denen auch die Ex-Partnerin beteiligt ist, teilnehmen.

In einem sofortigen Beschwerdeverfahren hat sich das OLG Hamm mit der Reichweite eines allgemeinen Kontaktverbots zwischen ehemaligen Lebenspartnern nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) befasst. Nach der Entscheidung des OLG erfasst das Kontaktverbot die Beteiligung an einer WhatsApp-Gruppe, der beide Ex-Partner angehören, dann nicht, wenn die WhatsApp-Gruppe mehr als 4 Mitglieder hat.

Familiengericht erlässt Kontaktverbot

Dem Verfahren lag eine einstweilige Anordnung nach dem GewSchG zu Grunde. Dem ehemaligen Lebensgefährten der Antragstellerin war untersagt worden, die Antragstellerin zu bedrohen, zu verletzen oder körperlich zu misshandeln, sich der Antragstellerin unter Unterschreitung eines näher definierten Mindestabstandes zu nähern und „mit der Antragstellerin – auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln  Verbindung aufzunehmen“.

Ordnungsgeldbeschluss des Familiengerichts

In der Folgezeit hat die Antragstellerin die Androhung bzw. Festsetzung von Ordnungsgeld wegen mehrfacher Verstöße gegen das gerichtlich angeordnete Abstandsgebot beantragt. Darüber hinaus rügte sie eine Kontaktaufnahme durch den Antragsgegner über den Messenger-Dienst WhatsApp. Nach Anhörung beider Beteiligten hat das Familiengericht gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld in Höhe von insgesamt 400 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, angeordnet.

WhatsApp-Post des Antragsgegners

Ein besonderes Problem zwischen den Parteien bereitete die Tatsache, dass beide der gleichen Laufgruppe angehörten und weiter angehören. Deren Mitglieder unterhalten eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe. Der Antragsgegner hatte an die WhatsApp-Gruppe als Reaktion auf gepostete Fotos die Nachricht gesendet „Da kann sie wieder lachen!“. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dieser Post sich auf die Antragstellerin oder auf eine andere Person bezog.

AG bewertet Post als Verstoß gegen Kontaktverbot

Das Familiengericht bewertete diesen WhatsApp-Post als Verstoß gegen das gerichtliche Kontaktverbot. Für einen solchen Verstoß reiche es bereits aus, dass die Antragstellerin die Nachricht als auf ihre Person bezogen verstehen konnte. Nach der Gewaltschutz-Verfügung sei dem Antragsgegner jedwede Kommunikation auch unter Nutzung von Fernkommunikationsmitteln und damit auch über soziale Netzwerke mit der Antragstellerin untersagt worden. Da es sich nicht um den ersten Verstoß dieser Art handle, erschien dem Familiengericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 Euro allein für diese Zuwiderhandlung als angemessen.

Nicht jede Nachricht an WhatsApp-Gruppe ist verbotene Kontaktaufnahme

Die gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners hatte im Hinblick auf den WhatsApp-Post Erfolg. Das OLG bewertete das vom Familiengericht festgesetzte Ordnungsgeld wegen des Versendens einer WhatsApp-Nachricht als nicht gerechtfertigt. Das OLG gestand der Antragstellerin zu, dass eine Nachricht innerhalb einer WhatsApp-Gruppe grundsätzlich sämtliche Teilnehmer der Gruppe adressiere. Dies bedeute aber nicht, dass die Versendung einer Nachricht innerhalb der WhatsApp-Gruppe als verbotene Kontaktaufnahme zu einem bestimmten Gruppenmitglied im Sinne von § 1 Satz 3 Nr. 4 GewSchG (Kontaktaufnahme per Fernkommunikation) angesehen werden könne.

Untersagt wäre gezielte Adressierung der Nachricht an Antragstellerin

Eine Kontaktaufnahme im Sinne dieser Vorschrift sei gegeben, wenn der Absender das betreffende Gruppenmitglied mit seiner Nachricht gezielt anspricht oder eine Bemerkung macht, durch die sich die betreffende Person bei verständiger Würdigung aus objektiver Sicht persönlich angesprochen fühlen darf bzw. muss.

Differenzierung nach WhatsApp-Gruppengröße

Nach diesem Grundsatz sei bei einer WhatsApp Gruppe zu differenzieren: Gehörten der WhatsApp Gruppe nur wenige (3-4) Personen an, so sei auch bei einer nicht an eine konkrete Person adressierten Nachricht von einer persönlichen Kontaktaufnahme gegenüber jedem einzelnen Gruppenmitglied auszugehen. Mit steigender Teilnehmerzahl trete bei einer allgemein gehaltenen Nachricht die persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds mehr und mehr in den Hintergrund. Bei größeren Gruppen von mehr als 4 Personen sei von einer persönlichen Kontaktaufnahme zu jedem einzelnen Mitglied nicht mehr auszugehen.

Allgemeine Handlungsfreiheit des Antragsgegners ist zu wahren

Nach Auffassung des Senats würde die automatische Erstreckung eines Kontaktaufnahmeverbots auf jegliche Aktivitäten innerhalb einer WhatsApp Gruppe zu einer unangemessenen Einschränkung der durch Art. 2 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit führen. Bestehe nach der Trennung von Lebenspartnern – was häufig der Fall sei – weiterhin ein gemeinsamer Bekanntenkreis, würde eine solch strenge Auslegung den Betroffenen in seinen sozialen Kontakten und Kommunikationsmöglichkeiten zu sehr beschränken. Demgegenüber sei es für die Antragstellerin zumutbar, allgemeine Nachrichten des Antragsgegners innerhalb der WhatsApp Gruppe zu tolerieren, soweit sie darin nicht persönlich angesprochen werde.

Nachrichten an WhatsApp-Gruppe können untersagt werden

Das OLG stellte klar, dass im Einzelfall die Untersagung von Posts innerhalb einer WhatsApp-Gruppe im Rahmen einer Gewaltschutzanordnung angemessen sein kann. Sei eine solche Anordnung aufgrund der besonderen Umstände erforderlich, so müsse das Verbot der Teilnahme an der WhatsApp-Gruppe vom Gericht aber ausdrücklich ausgesprochen werden.

Ordnungsgeld im konkreten Fall nicht gerechtfertigt

Da im konkreten Fall die WhatsApp Gruppe aus einer 2-stelligen Teilnehmerzahl bestand, bewertete das OLG den durch den Antragsgegner abgesetzten Post nicht als Verstoß gegen das Kontaktverbot und gab der Beschwerde des Antragsgegners gegen das insoweit festgesetzte Ordnungsgeld statt.

(OLG Hamm, Beschluss v. 24.9.2024, 13 WF 105/24)


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