Buschmanns Vorstoß zur Reform des Unterhaltsrechts
Bundesjustizminister Marco Buschmann hält das deutsche Unterhaltsrecht für nicht mehr zeitgemäß. Die gültigen Regelungen setzten noch auf das überkommene Rollenverständnis, wonach ein Partner – meistens die Ehefrau – die Kinder betreut und der andere – in der Praxis meistens der Ehemann – zahlt. Dies entspreche nicht mehr der gesellschaftlichen Realität, wonach häufig asymmetrische Betreuungsmodelle praktiziert würden, bei denen sich die Eltern die Betreuung weitgehend teilen und der Unterhaltspflichtige die Kinder ebenfalls an mehreren Tagen in der Woche betreut.
Gerechtigkeitslücke bei geltendem Unterhaltsmodell
Nach dem aktuell geltenden Recht werden übermäßige Betreuungsleistungen, soweit sie unter der Schwelle von 50 % der Gesamtbetreuung bleiben, beim Unterhalt nicht oder kaum berücksichtigt. Dies entspricht nach der Auffassung des Bundesjustizministers nicht dem Gerechtigkeitsempfinden der Beteiligten und auch der Bevölkerung. Dies gelte umso mehr als ein möglichst hoher Anteil des Unterhaltspflichtigen an der Betreuung zum Wohl des Kindes wünschenswert sei. Nur bei weitgehender Beteiligung beider Elternteile an der Betreuung werde eine möglichst starke Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen gefördert.
Im Fokus der Reform stehen Betreuungsanteile von 30-40 %
Nach der vom BMJ beabsichtigten Reform sollen fairere Regeln für Unterhaltspflichtige geschaffen werden, deren Betreuungsanteil bei 30 oder 40 % liegt. Diese müssten unterhaltsrechtlich bessergestellt werden gegenüber Unterhaltspflichtigen, die sich wenig oder gar nicht um ihre Kinder kümmern. In diesen Fällen soll nach den Vorstellungen Buschmanns der monatlich zu zahlende Unterhalt angemessen reduziert werden, ohne dabei eine Umverteilung zulasten des hauptbetreuenden Elternteils zu bewirken. Das BMJ stellt sich für diese Fälle Ermäßigungen in einer Größenordnung um die 20 % vor.
Mehr Betreuungsmotivation für unterhaltspflichtige Väter
Mit der Neuregelung will der Bundesjustizminister unterhaltspflichtige Väter motivieren, sich stärker um die Betreuung der Kinder zu kümmern. Gleichzeitig will er dem hauptbetreuenden Elternteil hierdurch die Möglichkeit verschaffen, in größerem Maße berufstätig zu sein. Buschmann nennt für seine Pläne auch ein konkretes Beispiel: Ein Vater, der 4.000 Euro im Monat verdient und gleichzeitig 40 % der Erziehungsleistungen erbringt, zahle bei einem angenommenen monatlichen Verdienst der Partnerin in Höhe von 2.000 Euro mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als 500 Euro Unterhalt. In diesem Fall kann sich der Bundesjustizminister vorstellen, die monatliche Unterhaltsverpflichtung um 100 Euro auf monatlich 400 Euro zu kürzen.
Familienverbände befürchten Nachteile für Mütter und Kinder
Inzwischen haben sich bereits erste Kritiker geäußert. Der Sozialverband Deutschland (SoV)
sieht die Gefahr, dass betroffene Mütter hierdurch in die Armutsfalle abrutschen könnten. Der Verband warnt, eine Reform dürfe nicht das Existenzminimum der Kinder gefährden. Dennoch sieht auch der Verband Reformbedarf und möchte zunächst abwarten, bis das BMJ Einzelheiten zur geplanten Reform mitgeteilt hat. Ähnlich äußerte sich die Deutsche Kinderhilfe, die insbesondere vor einer massiven Verkomplizierung der Unterhaltsregelungen beim asymmetrischen Wechselmodell warnt. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter schlägt ein Dreistufenmodell vor, dass nach der Zahl der monatlichen Übernachtungen von Kindern im Haushalt des zahlenden Elternteils differenziert.
Buschmann stellt besonders gründliche Gesetzesvorbereitung in Aussicht
Das BMJ geht auf die Kritiker ein und will zunächst ein Eckpunktepapier als reinen Diskussionsvorschlag vorstellen, auf dessen Grundlage unter Beteiligung von Wissenschaft und Praktikern aus der Justiz die konkret zu treffenden Regelungen für einen Gesetzentwurf erarbeitet werden sollen. Der Bundesjustizminister verweist auf den Koalitionsvertrag der Ampelparteien, wonach vereinbart wurde, die Betreuungsanteile der Eltern vor und nach der Scheidung besser zu berücksichtigen, ohne das Existenzminimum der Kinder zu gefährden. Im Hinblick auf die bereits geäußerten Kritikpunkte hat der Bundesjustizminister angekündigt, bei dieser für die Betroffenen äußerst bedeutsamen Reform nichts überstürzen zu wollen. Gründlichkeit gehe hier eindeutig vor Schnelligkeit.
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