Scheidung per Videokonferenz
So jedenfalls sieht es das AG Darmstadt. In dem zu Grunde liegenden Verfahren hatte die polnische Ehefrau die Scheidung von ihrem deutschen Ehemann beantragt. Nach Eingehung der Ehe im Januar 2005 sitzt der Ehemann seit Herbst 2011 eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt in Darmstadt ab. In einem Brief teilte die Ehefrau ihrem Ehemann im Oktober 2012 mit, dass sie die Ehe nicht aufrechterhalten wolle. Nach Ablauf des Trennungsjahres beantragte die Ehefrau die gerichtliche Scheidung. Der Ehemann stimmte einer Scheidung nicht zu.
AG Darmstadt ist zuständig
Das angerufene AG Darmstadt bejahte seine örtliche Zuständigkeit gemäß § 122 Nr. 4 FamFG. Bei der Haftdauer des Ehemannes von mehr als zwei Jahren sei von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners im Gerichtsbezirk Darmstadt auszugehen, auch wenn der Antragsgegner sich hier nicht willentlich aufhalte (OLG Oldenburg, Beschluss v. 10.7.2014, 5 AR 16/14).
Ehe gescheitert
Der Scheidungstermin selbst wurde in der Form abgehalten, dass die Ehefrau mit ihrer Rechtsanwältin vor Gericht erschien, der Antragsgegner wurde per Videokonferenz aus der Haftanstalt zugeschaltet. Er verweigerte weiterhin sein ausdrückliches Einverständnis zur Scheidung, erklärte jedoch, die Antragsgegnerin könne die Scheidung haben, wenn sie unbedingt wolle. Nachdem die Antragstellerin glaubhaft versichert hatte, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufnehmen zu wollen, stellte das Gericht das Scheitern der Ehe fest.
Persönliche Anhörung ist auch per Videokonferenz möglich
Ausführlich beschäftige sich das Gericht mit § 128 a ZPO. Hiernach ist im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine persönliche Anhörung vor Gericht erforderlich. Das Erfordernis einer persönlichen Anhörung sei durch die Videokonferenz gewahrt. Die Anhörung des Ehemannes per Videokonferenz sei im konkreten Fall ohne weiteres geeignet gewesen, den Sachverhalt aufzuklären und die persönlichen Sichtweisen der beiden Ehegatten zu erfassen. Durch die Videokonferenztechnik sei ein unmittelbares Gegenüber der Parteien möglich gewesen. Eine genauere und umfassendere Sachverhaltsaufklärung sei auch bei einem unmittelbaren Erscheinen des Antragsgegners vor Gericht nicht erreichbar gewesen.
AG Darmstadt weicht von Entscheidung des OLG Stuttgart ab
In einem etwas anders gelagerten Fall hatte das OLG Stuttgart die Zulässigkeit einer Gerichtsverhandlung durch Zuschaltung einer Partei per Videokonferenz verneint. Das entscheidende Gericht habe sich in der Videokonferenz keinen unmittelbaren Eindruck von dem Gegenüber machen können, zwischen Gericht und der zugeschalteten Partei habe sich eine unsichtbare „Wand“ befunden, die den Unmittelbarkeitsgrundsatz konterkariere (OLG Stuttgart, Beschluss v. 3.5.2012, 4 Ws 66/12). Dies sah das AG Darmstadt im konkreten Fall anders.
Videokonferenz als angemessene Beurteilungsgrundlage
Nach Auffassung des Darmstädter Familienrichters hat es der Stand der Technik im konkreten Fall durch die Videokonferenzschaltung dem Gericht ermöglicht, einen unmittelbaren Eindruck auch von dem Ehemann zu erhalten. Sein Verhalten, sein Auftreten, seine Mimik, seine Körpersprache seien für das Gericht ohne weiteres erkennbar gewesen. Auch habe das Gericht sich davon überzeugen können, dass real keinerlei Chancen für eine eventuelle Versöhnung der Eheleute – auch nicht durch eine Eheberatung oder eine Mediation – bestanden hätten. Insoweit habe vorliegend auch berücksichtigt werden müssen, dass eine Vorführung des Ehemannes vor das Familiengericht mit erheblichem Aufwand verbunden gewesen wäre, um das Risiko einer Flucht des Ehemanns auszuschließen. Auch nach Durchführung der Verhandlung hätten sich keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung ergeben, so dass die gewählte Verhandlungsart angemessen gewesen sei. Die Entscheidung des AG Darmstadt ist rechtskräftig.
(AG Darmstadt , Beschluss v. 12.8.2014, 50 F 1990/13)
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