Tilgungsleistungen auch beim Kindesunterhalt abzugsfähig
Die Höhe des Kindesunterhalts richtet sich stets nach dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Bei der Ermittlung dieses unterhaltsrechtlichen Einkommens kann der Pflichtige diverse Abzüge vornehmen, z.B. Beiträge zur privaten Altersvorsorge oder für eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Dienen die Belastungen jedoch allein der Vermögensbildung, dann können sie – wenn überhaupt – nur in engen Grenzen und jedenfalls dann nicht mehr in Abzug gebracht werden, wenn dadurch der Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes nicht mehr gesichert wäre.
Abzug von Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils
Vor diesem Hintergrund fragt sich, wie mit Tilgungsleistungen umzugehen ist, die der Unterhaltspflichtige für ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie aufbringt. Mit diesen Tilgungsleistungen wird der Wert der Immobilie erhöht, sodass sie ebenfalls der Vermögensbildung dienen. Allerdings wird für das Wohnen im Eigenheim ein Wohnvorteil in Ansatz gebracht, d. h. das Einkommen des Unterhaltspflichtigen wird fiktiv um einen Betrag erhöht, den er für das mietfreie Wohnen erspart. Ohne das Wohnen im Eigenheim und ohne die Finanzierung gäbe es einen solchen Wohnvorteil nicht. Aus diesem Grund muss dem Unterhaltspflichtigen zugestanden werden, die Zins- und Tilgungsleistungen für den Kredit jedenfalls bis zur Höhe des Wohnvorteils von seinem Einkommen in Abzug zu bringen.
Ausnahmsweise Tilgungsstreckung geboten
Dies hat jüngst der BGH bestätigt und seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt. Gleichzeitig hat der BGH klargestellt, dass im Einzelfall etwas anders gelten kann, wenn durch den Abzug der Tilgungsleistungen der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet wird. Gegenüber minderjährigen Kindern besteht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht mit der Folge, dass der Unterhaltspflichtige alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt einzusetzen hat. Kann er den für minderjährige Kinder in der Düsseldorfer Tabelle festgelegten Mindestunterhalt nicht mehr zahlen, ist er ausnahmsweise gehalten, eine Tilgungsstreckung vorzunehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine sehr hohe Tilgungsrate vereinbart ist oder die Immobilie schon fast komplett abbezahlt worden ist. Dann ist dem Unterhaltspflichtigen im Ausnahmefall eine Tilgungsstreckung zuzumuten, um den Mindestunterhalt zu sichern. Eine völlige Aussetzung der Tilgung hält der BGH hingegen für unzumutbar.
In dem vom BGH entschiedenen Falle waren die Zins- und Tilgungsleistungen des Unterhaltspflichtigen für die Finanzierung der von ihm selbst genutzten Immobilie niedriger als der in Ansatz gebrachte Wohnvorteil. Unter Berücksichtigung seines Nettoeinkommens und der sonstigen Abzüge konnte er gleichwohl den Mindestunterhalt nicht mehr zahlen, sodass zu prüfen war, ob ihm eine Tilgungsstreckung zuzumuten ist. Der BGH hat dies im konkreten Fall verneint, weil das Darlehen mit einem anfänglichen Tilgungssatz von unter 2 % erst ein paar Jahren bedient und noch kein nennenswerter Teil der Darlehensschuld getilgt worden war.
Ausgewogene Entscheidung des BGH
Die Entscheidung des BGH berücksichtigt einerseits den gesetzgeberischen Willen, den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder möglichst abzudecken, andererseits aber die Interessen des Unterhaltspflichtigen, nicht über Gebühr belastet zu werden. Schlüssig ist insbesondere die Argumentation, dass es ohne Nutzung des Eigenheims, für das die Finanzierung nun einmal notwendig ist, keinen Wohnvorteil gäbe und es daher - abgesehen von Ausnahmefällen - sachgerecht ist, den Abzug der Zins- und Tilgungsleistungen jedenfalls bis zur Höhe des Wohnvorteils zuzulassen.
BGH, Beschluss vom 9.3.2022, XII ZB 233/21
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