Kaskoversicherung: Schadensersatz trotz unklarem Unfallhergang?

Die Unfallschilderung des Versicherten war in einem Detail nicht nachvollziehbar, die Zeugenaussagen widersprüchlich. Die Vollkaskoversicherung wollte angesichts diverser Ungereimtheiten nicht für den Schaden eines Autounfalls aufkommen. Das OLG Karlsruhe zeigte in diesem Kontext die Beweispflicht von Versichertem und Kaskoversicherung bezüglich des versicherten Unfallereignisses auf. 

Ein Autofahrer war nachts in eine Leitplanke gefahren, weil er angeblich einem Tier ausweichen wollte. Den Sachschaden in Höhe von gut 5.500 EUR  nach Abzug des Selbstbehalts wollte er von seinem Kaskoversicherer ersetzt bekommen. Doch der weigerte sich zu zahlen.

Autofahrer schilderte Unfall zumindest in Details falsch

Die Versicherung begründete ihre Weigerung damit, dass der Unfallhergang unklar und die Unfallschilderung des klagenden Autofahrers zumindest im Detail falsch gewesen sei. Tatsächlich war der hinzugezogene Sachverständige zu der Einschätzung gekommen, dass der vom Autofahrer geschilderte Unfallhergang sich nicht vollständig mit seinen Erkenntnissen in Übereinstimmung bringen lasse.

Eine weitere Ungereimtheit lieferten die widersprüchlichen Aussagen der Zeugen zum Verhalten nach dem Unfallereignis. Ein Zeuge hatte angegeben, der Fahrer sei nach dem Unfall stehengeblieben und ausgestiegen, um einen etwaigen Schaden an der Leitplanke zu prüfen. Ein anderer Zeuge hatte dies verneint.

Vollkaskoversicherung muss trotz der Ungereimtheiten zahlen

Das OLG Karlsruhe bestätigte trotz dieser Unklarheiten den Anspruch des Autofahrers gegen die Versicherung. Der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis geführt, dass die Voraussetzungen der Eintrittspflicht der Versicherung nach dem Versicherungsvertrag vorlägen.

Versichertes Ereignis in der Vollkaskoversicherung ist ein Unfall des Fahrzeugs, d.h. ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis (A.2.2.2 der AKB). Trotz der widersprüchlichen Aussagen sei davon auszugehen, dass der Unfall sich an der vom Kläger behaupteten Stelle ereignet habe. Auch der konkrete Unfallzeitpunkt sei vom Landgericht nicht in Frage gestellt worden.

Vorsätzliches Herbeiführen des Unfalls muss die Versicherung beweisen

In der Kaskoversicherung gilt, dass der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen muss, dass ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen stattgefunden hat. Ist dieser Beweis erbracht obliegt es wiederum dem Versicherer zu beweisen, dass der Versicherungsnehmer oder eine ihm zuzurechnende Person den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.

Versicherung muss zahlen, auch wenn die Details eines Unfalls nicht stimmen können

Kann ein Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden, steht jedoch fest, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einem Unfall im versicherten Zeitraum beruhen können, so reiche die Feststellung aus, um die Einstandspflicht des Versicherers zu begründen. Dies gelte letztlich auch dann, wenn sich der Versicherungsfall, so wie er geschildert wurde, nicht ereignet haben kann.

Nach den für die Kaskoversicherung geltenden Grundsätzen sei unter den dargestellten Voraussetzungen der Versicherungsfall „Unfall“ auch dann erwiesen, wenn der Unfallhergang, so wie er vom Versicherungsnehmer geschildert wurde, zumindest im Detail nicht stattgefunden haben kann. 

Kein Freifahrtschein für Falschaussagen: Ort, Zeitpunkt und Bedingungen eines Unfalls müssen stimmen

Das Gericht wies darauf hin, dass Versicherungsnehmer keinen Anspruch gegen die Versicherung haben, falls feststehe, dass ein behaupteter Unfall an der angegebenen Unfallstelle und unter den angegebenen Bedingungen nicht stattgefunden haben kann, sondern nur anderswo und unter anderen Bedingungen. Das treffe im vorliegenden Fall allerdings nicht zu. Es gebe keine Anhaltspunkte, die auf einen anderen Unfallort oder auf einen anderen Unfallzeitpunkt hinwiesen.

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 6.4.2021, 12 U 333/20).


Schlagworte zum Thema:  Versicherungsschutz, Schadensersatz, Beweislast