Geändertes chinesisches Gesellschaftsgesetz ab 1. Juli 2024
Hier erfahren Sie, was deutsche Gesellschaften beachten müssen, um in Bezug auf Ihre chinesischen Tochtergesellschaften und Beteiligungen die Vorgaben des überarbeiteten chinesischen Gesellschaftsgesetzes und der Regularien zu neuen Kapitaleinlagen zu erfüllen. Daneben hat das Oberste Volksgericht der VR China am 29. Juni 2024 eine Interpretation zu den neuen Bestimmungen erlassen, die einige, aber nicht alle Unklarheiten in Bezug auf die neuen Bestimmungen, die seit dem 1. Juli 2024 in Kraft getreten sind, beseitigen. Klar ist schon jetzt, dass sich ua die Regeln zur Kapitaleinlage, Haftung bei Anteilsübertragungen, Mitbestimmung der Arbeitnehmer und zur Organhaftung geändert haben. Die Veröffentlichung bezieht sich jedoch nur auf privat-investierte Gesellschaften mit beschränkter Haftung (dh nicht auf staatliche Unternehmen und nicht auf Aktiengesellschaften).
1. Kapitaleinlagen
Seit 2014 wurden die Anforderungen an das Mindeststammkapital weitgehend angehoben und die Fristen zur Einlageleistung gelockert. Nur für einige begrenzte Branchen/Projekte bestehen nach wie vor Mindestanforderungen an das Stammkapital. Nun wurden einige dieser früheren Lockerungen aufgrund teils missbräuchlicher Anwendung erneut verschärft:
Gesellschaften, die ab 1. Juli 2024 gegründet werden, müssen das volle Stammkapital innerhalb von fünf Jahren ab Gründung erhalten.
Für Gesellschaften, die vor dem 1. Juli 2024 gegründet wurden, gilt Folgendes:
Wenn die satzungsgemäße Einzahlungsfrist vor dem 1. Juli 2032 abläuft, bleibt diese Frist bestehen.
Wenn die satzungsgemäße Einzahlungsfrist nach dem 30. Juni 2032 abläuft, ist die Satzung spätestens bis zum 30. Juni 2027 dahingehend zu ändern, dass entweder die Einzahlungsfrist bis zum 30. Juni 2032 verkürzt wird oder das gezeichnete Stammkapital auf das bereits eingebrachte Stammkapital herabgesetzt wird. Ausnahmen gelten lediglich für Gesellschaften, deren Geschäft nationale Interessen bzw. Wichtige öffentliche Interessen kontaktieren und für die zuständigen Behörden abweichende Fristen gestatten.
Das Board of Directors („Vorstand“) ist verpflichtet, die fristgerechte Zahlung der Kapitaleinlagen zu überprüfen, und die Gesellschaft muss säumige Gesellschafter unverzüglich schriftlich auffordern, die überfälligen Einlagen innerhalb einer Nachfrist von mindestens 60 Tagen ab dem Datum der Aufforderung zu leisten.
Wenn innerhalb dieser Frist die Leistung der Einlagen nicht erbracht wird, muss die Gesellschaft den säumigen Gesellschafter über den Verlust seines Anteils an der Gesellschaft in Höhe des überfälligen Stammkapitals benachrichtigen. Nach Erhalt der Verwirkungsmitteilung hat der Gesellschafter 30 Tage Zeit, beim örtlichen Volksgericht Klage einzureichen, falls er die Mitteilung für unrechtmäßig hält.
Wird das verwirkte Stammkapital nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist auf andere Gesellschafter/Dritte übertragen oder durch Kapitalherabsetzung abgewickelt, so haben die übrigen Gesellschafter (sofern vorhanden) die entsprechende Einlage im Verhältnis zu ihrer Beteiligung an der Gesellschaft zu leisten.
Wenn die Gesellschaft unfähig ist, fällige Schulden zu begleichen, sind die Gesellschaft bzw. deren Gläubiger auch vor Ablauf der satzungsgemäßen Einzahlungsfrist berechtigt, von den Gesellschaftern die Einlageleistung zu verlangen.
Die Behörden können Verwaltungsmaßnahmen und Bußgelder gegen die Gesellschaft und ihre Organe und Gesellschafter verhängen, sofern diese ihren Pflichten in Bezug auf das Stammkapital oder dessen Einforderung nicht nachkommen. Insoweit besteht nunmehr auf allen Ebenen ein stark erhöhter Handlungsbedarf bei Einlageverzug.
2. Anteilsübertragung
Übertragende Gesellschafter müssen Mitgesellschafter schriftlich benachrichtigen, wenn Anteile am gemeinsamen Unternehmen veräußert werden sollen. Mitgesellschafter haben dann 30 Tage Zeit zu entscheiden, ob sie ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen. Von einem Vorkaufsrechtsverzicht wird ausgegangen, wenn Mitgesellschafter die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht innerhalb von 30 Tagen bestätigen. D.h. das bisherige aktive Zustimmungserfordernis der Mitgesellschafter zur Anteilsübertragung entfällt, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts Anderes vorsieht.
Hinsichtlich der Haftung für nicht eingezahltes, aber übertragenes Stammkapital gilt nunmehr Folgendes: Der Käufer trägt die Einlageverpflichtung hierfür; falls er die Einlage nicht leistet, haftet auch der Verkäufer selbst nach Vollzug der Kapitalübertragung für diese Einlage. Darüber hinaus haften Käufer und Verkäufer gesamtschuldnerisch, wenn Verkäufer ihre Einlagen nicht fristgemäß geleistet haben oder der Wert ihrer Sacheinlagen sich als wesentlich niedriger erweist als ursprünglich angegeben. Es kommt also zu einer Verschärfung der gegenseitigen Haftung und damit zu einem erweiterten Regelungsbedarf bei Anteilsübertragungen.
3. Organhaftung
Die Organhaftung war bereits im bisherigen Gesellschaftsgesetz rudimentär angelegt, ist nun aber auf alle Mitglieder des Vorstands, des Aufsichtsrats ("AR") und der Geschäftsleitung ("GL") anwendbar und wurde spezifiziert. Die vorgenannten Organe sind nunmehr verpflichtet:
Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu ergreifen,
Befugnisse nicht zur Verfolgung "unzulässiger Interessen" zu nutzen,
angemessene Sorgfalt walten zu lassen, damit Befugnisse im besten Interesse des Unternehmens ausgeübt werden,
der Gesellschafterversammlung bzw. dem Vorstand Transaktionen mit verbundenen Parteien/nahestehenden Personen (z.B. mit nahen Verwandten bzw. Gesellschaften, die direkt oder indirekt von nahen Verwandten kontrolliert werden) zu melden und zur Prüfung vorzulegen, und
alle Verbote gegen unfairen Wettbewerb einzuhalten.
Mitglieder des Vorstands sind bei Entscheidungen, die sie persönlich betreffen nicht stimmberechtigt. Falls dadurch kein ausreichendes Quorum im Vorstand erreicht wird, entscheidet die Gesellschafterversammlung.
In folgenden Fällen haften zum Beispiel Mitglieder aus Vorstand, AR und GL persönlich bei:
unerlaubter Gewährung finanzieller Hilfe an Dritte zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen,
- illegalen Stammkapitalentnahmen, Gewinnausschüttungen oder Kapitalreduzierungen,
Schäden Dritter, die durch das betreffende Organ vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurden.
4. Organstruktur
Gesetzliche Vertreter sind befugt, Gesellschaften gegenüber Dritten zu vertreten, wobei jede Gesellschaft nur einen gesetzlichen Vertreter hat. Bisher konnte entweder der Geschäftsführer ("GF") oder der Vorstandsvorsitzende diese Position innehaben. Gerade in letzterem Fall waren diese Personen oft wenig im Tagesgeschäft der Gesellschaft involviert. Ab dem 1. Juli 2024 gilt, dass diese Position entweder durch den GF oder durch einen im Tagesgeschäft der Gesellschaft involvierten Vorstand besetzt wird. Damit soll sichergestellt werden, dass gesetzliche Vertreter tatsächlich an der Führung der Geschäfte der Gesellschaft beteiligt sind.
AR vs. Prüfungsausschuss: Bisher waren Gesellschaften verpflichtet, einen AR mit mindestens drei Mitgliedern (davon ein Arbeitnehmervertreter) einzurichten bzw. im Falle von KMU ein oder zwei Aufsichtsräte zu ernennen (dann war ein Arbeitnehmervertreter nicht zwingend). Ab dem 1. Juli 2024 gilt in Bezug auf ARs nun Folgendes:
KMU benötigen keinen AR mehr, sofern die Gesellschafter dies beschließen,
statt eines AR kann innerhalb des Vorstands ein "Prüfungsausschuss" eingerichtet werden, der die AR-Aufgaben übernimmt,
Gesellschaften mit 300+ Arbeitnehmer, die keinen AR mit einem Arbeitnehmervertreter haben, müssen einen Arbeitnehmervertreter in den Vorstand berufen.
Ferner gelten nun folgende verbindliche Mindeststandards für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und des Vorstands:
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung erfordern immer eine Zustimmung von mehr als 50 % der Stimmrechte,
Beschlüsse des Vorstands bedürfen immer einer Zustimmung von mehr als 50 % der Mitglieder.
5. Arbeitnehmermitbestimmung
Gesellschaften mit mehr als 300 Arbeitnehmern müssen einen Arbeitnehmervertreter entweder in den Vorstand oder AR entsenden. Diese Arbeitnehmervertreter müssen von den Arbeitnehmerorganen auf demokratische Weise gewählt werden. Bisher galt die Verpflichtung der Entsendung von Arbeitnehmern nur für den AR, sofern ein solcher mit mindestens drei Mitgliedern installiert war.
Angesichts der unterschiedlichen Aufgaben von Vorstand und Aufsichtstrat ist auch die Rolle der Arbeitnehmervertreter in diesen Organen unterschiedlich. In beiden Funktionen können die Mehrheitserfordernisse so gestaltet sein, dass die Stimme des Arbeitnehmervertreters kein Vetorecht o.Ä. hat. begründet.
In der Zahl von mehr als 300 Arbeitnehmern werden folgende Arbeitnehmer einbezogen: solche mit formellen Voll-/Teilzeitarbeitsverträgen (auch in der Probezeit), Mitarbeiter, die bei Niederlassungen der Gesellschaft angestellt sind, sowie alle anderen Arbeitnehmer, die in den gesetzlich vorgesehenen Mitbestimmungsorganen wahlberechtigt sind .
6. Schutz von Minderheitsgesellschaften
Folgende Änderungen sollen der Missbrauchsgefahr durch Mehrheitsgesellschafter bzw. tatsächlich kontrollierende Gesellschafter entgegenwirken:
Die Einhaltung des Gebots der Treuepflichten wird nun nicht mehr nur von Organen der Gesellschaft, sondern auch von Mehrheitsgesellschaften bzw. Die tatsächlich kontrollierenden Gesellschaftern forderten, selbst wenn diese formal keine Organfunktion innehaben.
Mehrheitsgesellschafter bzw. tatsächlich kontrollierende Gesellschafter, die die GL anweisen, Handlungen gegen die Interessen des Unternehmens bzw. deren Gesellschafter übernehmen, haften gesamtschuldnerisch mit der abhängigen GL.
Wenn Mehrheitsgesellschafter bzw. Tatsächlich kontrollierende Gesellschafter ihre Gesellschafterrechte zum materiellen Nachteil des Unternehmens oder anderer Gesellschafter missbrauchen, sind Minderheitsgesellschafter berechtigt, von diesen den Rückkauf ihrer Gesellschaftsanteile zu einem angemessenen Preis zu verlangen.
7. Fazit
Es ist an der Zeit, die Gesellschaften chinesischer Tochtergesellschaften und Beteiligungen zu überprüfen und über eine Anpassung nachzudenken.
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