Erlöse aus Arbeitnehmerbeteiligungen: Kapitaleinkünfte oder Arbeitslohn?
Hintergrund: Mitarbeiter erwarb Anteile an AG
Eine AG bot handverlesenen Mitarbeitern der zweiten Führungsriege den Erwerb einer Beteiligung zum Marktwert an. Bedingung dieser Beteiligung war unter anderem ein sogenanntes „Leaver-Scheme“, wonach den Mitarbeitern
- im Falle einer Kündigung der Anstellung durch die Gesellschaft aus wichtigem Grund nur ihre Einlage zurückgezahlt werden sollte („Bad Bad Leaver“),
- im Falle einer Kündigung der Anstellung durch den Arbeitnehmer die Einlage zzgl. 5 % p.a. zurückgezahlt werden sollte („Bad Leaver“) und
- im Falle einer ordentlichen Kündigung der Anstellung durch die Gesellschaft eine erfolgsabhängige Abfindung gezahlt werden sollte („Good Leaver“).
Der Kläger erwarb Anfang 2003 rund 1,2 % der Anteile an der AG und zahlte hierfür den Marktpreis von rund 107.000 EUR. Im Jahr 2004 erwarb eine Investorengruppe die AG, wobei auf die Anteile des Klägers ein Wert von rund 576.000 EUR entfiel. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Differenz als Arbeitslohn zu versteuern war. Der Kläger klagte gegen die entsprechende Festsetzung mit dem Argument, es habe sich um Einkünfte aus Kapitalbeteiligungen gehandelt.
Urteil des BFH v. 04.10.2016, Az.: IX R 43/15
Der BFH bestätigte – wie schon die erste Instanz, das FG Köln – die Ansicht des Klägers, dass es sich um Einkünfte aus Kapitalbeteiligungen im Sinne der §§ 22 Abs. 1 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG handelte (die nach damaligem Recht steuerfrei waren, da der Gewinn außerhalb der Spekulationsfrist realisiert wurde).
Der BFH stütz sich maßgeblich darauf, dass der Kläger die Anteile an der Gesellschaft zum Marktpreis erworben hatte und ein entsprechendes Verlustrisiko trug. Dass die Beteiligung nur bestimmten Mitarbeitern angeboten wurde und durch das Leaver-Scheme enge Verbindungen zur Anstellung bestanden, ist nach dem BFH für die Behandlung als Kapitalbeteiligung unerheblich.
Anmerkung: Rechtssicherheit für direkte Arbeitnehmerbeteiligung
Das Urteil schafft Rechtssicherheit für die Modelle der direkten Arbeitnehmerbeteiligung, wenn Arbeitnehmer den Marktpreis bezahlen. Vielfach gewähren Arbeitgeber jedoch keine direkte Beteiligung, sondern nur sogenannte virtuelle Anteile. Auf eine virtuelle Beteiligung dürften die BFH-Grundsätze jedoch keine Anwendung finden, sodass es in diesen Fällen bei der Besteuerung als Arbeitslohn bleibt: Durch eine virtuelle Beteiligung wird der Arbeitnehmer im Falle des Unternehmensverkaufs (Exit) zwar so gestellt, als sei er direkt beteiligt gewesen, und an entsprechenden Gewinnen beteiligt. Eine Verlustteilnahme ist in der Regel jedoch nicht vorgesehen und eine Gegenleistung für die Beteiligung sehen viele Mitarbeiterbeteiligungsmodelle („ESOP“ – Employee Stock Option Program) ebenfalls nicht vor.
Während aus Sicht der Arbeitnehmer eine kostenlose oder verbilligte Zuwendung der Mitarbeiterbeteiligung wünschenswert ist und Arbeitgeber oftmals eine virtuelle Beteiligung bevorzugen, bietet der Erwerb der direkten Beteiligung gegen Zahlung des Marktpreises dem Arbeitnehmer nicht nur steuerlich Vorteile. Auch gesellschaftsrechtlich haben Arbeitnehmer dann Informations- und Mitspracherechte.
Etablierten Unternehmen und Startups ist zu empfehlen, bei der Einrichtung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms nicht nur gesellschaftsrechtliche Kriterien zu berücksichtigen, sondern auch die steuerliche Behandlung bei den Arbeitnehmern. Wird vom Arbeitnehmer eine Gegenleistung gezahlt, sollte der Marktwert möglichst durch ein Bewertungsgutachten nachgewiesen sein.
Rechtsanwälte Dr. Jan Henning Martens, Dr. Sven Ufe Tjarks, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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