Bei Ausfall des Internet`s gibt es Schadensersatz

Wer das Netz privat und geschäftlich ständig nutzt, ist bei dessen Ausfall ganz schön aufgeschmissen. Dem hat der BGH nun in einer spektakulären Grundsatzentscheidung Rechnung getragen.

Am 15.12.2008 hatte der beklagte Netzanbieter die Tarife umgestellt. Infolge eines hierbei verursachten technischen Fehlers, konnte der in Bayern lebende Kläger seinen Anschluss danach 2 Monate lang nicht mehr nutzen.

Auch Telefon- und Faxverkehr waren betroffen

Der bayerische User nutzte den Netzanschluss nicht nur für E-Mails und Internetrecherche, er wickelte auch seinen Telefon- und Faxverkehr darüber ab. Während der Ausfallzeit telefonierte der User mobil und wechselte schließlich entnervt den Anbieter.

Der User verlangte vom Anbieter Ersatz für die entstandenen Mobilfunkkosten, Ersatz der Zusatzkosten für den Anbieterwechsel sowie Schadensersatz für die entgangene Möglichkeit, Fax und Netzanschluss zu benutzen. Diesen Ersatzanspruch bezifferte er mit 50 EUR täglich.

Faxausfall ist nicht ersatzpflichtig.

Der BGH verwies zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsgutes nicht in jedem Fall einen solchen Anspruch auf Schadenersatz begründe. Dieser sei erst dann anzuerkennen, wenn sich die Funktionsstörung typischerweise signifikant auf die materielle Grundlage der Lebensgestaltung auswirkt. Dies hat der BGH z.B. für den Entzug der Nutzung eines Wohnhauses oder in Form der Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung bei Ausfall eines Kfz anerkannt (BGH, Urteile v. 09.07.1986, GSZ 1/86; v. 31.10.1986, V ZR 140/85; v. 20.02.1987 V ZR 237/84). Unter diesen Gesichtspunkten bietet ein Faxanschluss nach Auffassung der Richter dem Anschlussinhaber die Möglichkeit, unter Umgehung des Postweges auf komfortablere Art Schriftstücke bzw. deren Inhalt von A zu B zu befördern.

Der Wegfall einer bloßen Annehmlichkeit beeinflusse aber nicht nachhaltig die Lebensführung der Betroffenen. Immerhin stehe in diesem Fall der Postweg weiter offen. Der Verzicht auf die „Bequemlichkeit“ der Faxversendung sei kein materieller Schaden und stehe einem solchen auch nicht gleich.

Telefonzugang ist zentral für die Lebensgestaltung.

Grundsätzlich anders sah der BGH-Senat die Lage bei einem erzwungenen Verzicht auf den Telefonanschluss. Dessen Nutzungsmöglichkeit sei für die private und berufliche Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung, so dass der Entzug der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten, die Lebensgestaltung massiv negativ beeinflusse. Die Lebensqualität würde durch einen erzwungenen Verzicht spürbar eingeschränkt.

Grundsätzlich besteht eine Ersatzpflicht des Schädigers, es sei denn....

... es sei denn, diesem stünde in anderer Form ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung. Und das war hier das Mobilfunkgerät. Über sein mobiles Handy konnte der Kläger ohne weiteres – so die Richter – seine gesamten Telefonate erledigen, ohne dass dies zu einer Einschränkung seiner fernmündlichen Kommunikationsmöglichkeiten geführt hätte. Insoweit sei dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden dadurch Rechnung getragen, dass der Netzanbieter selbstverständlich verpflichtet sei, dem User sämtliche, durch die Nutzung des Mobiltelefons entstandenen Mehrkosten zu ersetzen.

Grundsätzliches vom BGH zur Bedeutung des „World-Wide-Web“.

Der interessanteste Teil der BGH-Entscheidung betrifft die Ausführungen des Senats zur Bedeutung der weiteren, mit einem Netzanschluss verbundenen Vorteile. Hierbei stellte der Senat die zentrale Bedeutung heraus, die dem Internet und den damit verbundenen Möglichkeiten der privaten und beruflichen Nutzung durch die User zukommt.

Das Internet sei kein Luxusgut mehr. Nach Auffassung des BGH hat sich das Internet zu einem, „die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägendem Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht“. Der Senat stellte folgende Funktionen einer Netzanbindung heraus:

●         Informationsfunktion: Das Netz ersetze durch seine vielfältigen Angebote in Form von Text-, Video, Audio- und Bilddateien in nahezu allen Lebensbereichen für viele Nutzer die Funktionen von Lexika, Zeitschriften Literatur, Fernsehen und anderen Medien bis hin zu hochwissenschaftlicher Studienliteratur.

●         Kommunikationsfunktion: Über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke finde eine weltweite Kommunikation zwischen den unterschiedlichsten Menschen statt. Für nicht Wenige würden dort entscheidende, das Leben nachhaltig beeinflussende Kontakte geknüpft.

●         Geschäftliche Funktion: Im Netz würden zunehmend Aufträge und Geschäfte verschiedenster Art angebahnt, von kleinen Privatgeschäften bis hin zu Großaufträgen. Für mannigfache Geschäftsbereiche sei das Netz nicht mehr wegzudenken.

●         Rechtliche Funktion: Auch in rechtlich relevanten Bereichen gewinne das Netz immer mehr an Raum. Selbst für die Aushandlung komplizierter Vertragstexte und die Kommunikation mit Behörden werde die Bedeutung immer größer.

Grundsatzentscheidung stark relativiert

Nach diesen, vom Senat gezogenen großen Linien für die grundsätzliche Bedeutung des Netzes, blieben für die nicht unwesentliche Frage der Bemessung der Höhe des Schadenersatzes für den Ausfall eines so lebensbestimmenden Gutes nur noch ziemlich mickrige Strichlein übrig, was für Kenner des deutschen Schadensersatzrechtes aber wenig überraschend war.

Die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes bestimmt sich hiernach nach den marktüblichen, durchschnittlichen Bereitstellungskosten eines DSL-Anschlusses, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten Wertfaktoren (des Anbieters). Das dürfte deutlich unter dem vom Kläger angepeilten Tagessatz von 50 EUR liegen. An einer konkrete Bezifferung konnte sich der Senat vorbeimogeln, da die Vorinstanz in diesem Punkt noch nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen getroffen hatte. Insoweit hat der BGH die Sache zur weiteren Entscheidung an das OLG zurück verwiesen. In diesem Punkt der Schadensbezifferung dürfte die Entscheidung noch erheblichen Diskussionsstoff bieten.

(BGH, Urteil v. 24.01.2013, III ZR 98/12). 


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