Rechts- und Parteifähigkeit einer britischen Limited
Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen fehlender Parteifähigkeit
Eine britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland hatte eine einstweilige Verfügung zur Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs gegen einen Wettbewerber vor dem Landgericht München I beantragt. Das Landgericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück, da der Limited nicht der Nachweis gelang, dass sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz in UK und nicht, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen, in Deutschland befindet. Mangels Verwaltungssitzes in UK existiere die Antragstellerin in Deutschland nicht als „Limited“ und sei folglich hier nicht rechts- und parteifähig.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts München I legte die Antragstellerin Berufung zum OLG München ein. Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung als unbegründet zurück.
Das Urteil des OLG München v. 5.8.2021 (29 U 2411/21 Kart)
Das OLG München stellte fest, dass auf eine britische Limited in Deutschland nach der sog. Sitztheorie das Recht des Staates anzuwenden sei, das am Sitz der Gesellschaft gilt. Unter Sitz sei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser befinde sich nach der sog. Sandrock’schen Formel an dem Ort, an dem die Gesellschaft tatsächlich aktiv ist und wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv getroffen und in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.
Unerheblich sei, wo die Gesellschaft besteuert werde. Auch Vorschriften des Gewerberechts, wie beispielsweise die Definition einer deutschen Niederlassung bei grenzüberschreitender Erbringung von Dienstleistungen nach § 4 Abs. 3 GewO, seien nicht maßgeblich.
Die Partei- und Rechtsfähigkeit muss im Streitfall durch geeignete Nachweise belegt werden. Eine Rechnung mit einer Geschäftsanschrift in Großbritannien hat das OLG München nicht als Beleg für einen Verwaltungssitz im UK anerkannt.
Hintergrund der Sitztheorie ist der Grundsatz des numerus clausus der in Deutschland zugelassenen Gesellschaftsformen. Dieser Grundsatz besagt, dass das deutsche Gesellschaftsrecht nur eine begrenzte Anzahl von Gesellschaftsformen zur Verfügung stellt; andere als diese Gesellschaftsformen werden in Deutschland nicht anerkannt, wenn das Unternehmen aus Deutschland heraus geleitet wird.
Die Sitztheorie gilt nur dann nicht, wenn für Deutschland geltende völkerrechtliche Übereinkommen anderes bestimmen, wie z.B. die für EU-Mitgliedstaaten verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV). Mit dem Vollzug des Brexit können sich im Vereinigten Königreich registrierte Limiteds jedoch nicht mehr auf EU-Recht berufen.
Das am 30.12.2020 zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich abgeschlossene Handels- und Kooperationsabkommen gewährt nach der Entscheidung des OLG München der britischen Limited keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit gleichkommt. Es enthalte insbesondere keine Regelung, wonach die britische Limited dann, wenn sie ihren Verwaltungssitz nicht in UK hat, auch nach dem Brexit in anderen Mitgliedstaaten weiterhin anzuerkennen sei.
Konsequenzen des Brexit für eine britische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland
Die klare Positionierung des OLG München zu der vom BGH noch nicht entschiedenen Frage, ob für Gesellschaften mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich als Drittstatt die Sitztheorie Anwendung findet oder weiterhin die Gründungstheorie gelten soll, ist zu begrüßen. Sie entspricht weit überwiegender Meinung in Deutschland.
Die Entscheidung zeigt, welche Bedeutung der effektive Verwaltungssitz hat und dass dieser allein nach der tatsächlichen Ausübung der Leitungsmacht eines Unternehmens zu bestimmen ist. Das Recht, nach dem ein Unternehmen besteuert wird, sowie der gewerberechtliche Begriff der Niederlassung sind für die Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes nicht maßgeblich.
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