Sperrvermerk „Keine Werbung“: Einwurf kostenloser Anzeigenblätter möglich
Was ist passiert?
Ein Unternehmen, das ein kostenloses Anzeigenblatt mit redaktionellem Inhalt verlegte, verteilte dieses Blatt zwei Mal wöchentlich in die Briefkästen der Haushalte in der Region. Dem Anzeigenblatt lose beigefügt waren Werbeprospekte. Das Anzeigenblatt wurde auch an solche Haushalte abgegeben, an deren Briefkästen ein Vermerk „Keine Werbung“ angebracht war. Gegen diese Geschäftspraxis erhob ein Konkurrenzunternehmen, das als Direktverteiler Werbeprospekte in die Briefkästen einwerfen lässt, Unterlassungsklage mit dem Argument, aufgrund des Sperrvermerks „Keine Werbung“ sei auch der Einwurf des Anzeigenblattes samt Werbebeilage nicht gestattet.
Sowohl das Landgericht Dortmund als auch das Oberlandesgericht Hamm wiesen die Klage zurück, weil der Aufkleber „Keine Werbung“ sich lediglich gegen kostenlose Werbung und nicht auch gegen Anzeigenblätter richte.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss v. 16.5.2012, Az. I ZR 158/11 „Aufkleber Keine Werbung“)
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Einwurf eines kostenlosen Anzeigenblattes in einen Briefkasten ist nur dann rechtswidrig, wenn nach außen erkennbar ist, dass der Empfänger dies nicht wünscht. Nach Ansicht des BGH ist einem allgemeinen Hinweis „Keine Werbung“ nicht zu entnehmen, dass auch der Einwurf kostenloser Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt abgelehnt wird. Dies gelte auch dann, wenn in den Anzeigenblättern lose Werbeprospekte eingelegt seien.
Hinweis
Wollte der Empfänger auch keine kostenlosen Anzeigenblätter erhalten, müsse er darauf eindeutig hinweisen, z.B. mit einem Aufkleber „Keine Werbeprospekte und keine Anzeigenblätter“ oder „Keine Werbeprospekte und keine Anzeigenblätter mit einliegenden Werbeprospekten“.
Anmerkung
Mit seiner Entscheidung schließt der BGH eine Lücke in der bisherigen Rechtsprechung. Sowohl Werbeprospekte als auch kostenlose Anzeigenblätter waren bereits Gegenstand der Rechtsprechung. Während erstere bei einem Vermerk „Keine Werbung“ nicht verteilt werden dürfen, ist der Einwurf kostenloser Anzeigenblätter durch diesen Vermerk nicht gehindert. Die Frage, ob der Hinweis geeignet ist, den Einwurf kostenloser Anzeigenblätter auszuschließen, in die Werbeprospekte eingelegt sind, war bislang umstritten. Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass ein solch allgemein gehaltener Hinweis nicht ausreicht, um den Einwurf kostenloser Anzeigenblätter inklusiv lose beigefügter Werbeprospekte zu verhindern. Möchten die Empfänger auch solche Werbung nicht erhalten, muss der Hinweis entsprechend konkreter formuliert werden.
Für die Verteiler hat dies zur Folge, dass sie den jeweiligen Sperrvermerk vor Einwurf der Anzeigenblätter genau prüfen müssen, um einen Wettbewerbsverstoß und damit die Gefahr einer Abmahnung auszuschließen. Das Geschäftsmodell der kostenlosen Anzeigenblätter wird mit der Entscheidung des BGH gestärkt, eröffnet es doch die Möglichkeit, den Empfängern trotz des Sperrvermerkes „Keine Werbung“ Werbeprospekte zukommen zu lassen.
Rechtsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlert, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.943
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
2.041
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.654
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.5782
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
1.381
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.380
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.340
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.333
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.169
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.110
-
Rechtsunsicherheit für die Kundenanlage
17.12.2024
-
Die Verordnung über das Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden
11.12.2024
-
Änderungen des Energiewirtschaftsrechts – Was kommt noch nach dem Ampel-Aus?
10.12.2024
-
Anteil der Zahlungen von Cyber-Versicherungen wegen Datenschutzverstößen steigt stetig
06.12.2024
-
Das Scraping-Urteil des BGH zum Facebook-Datenleck
04.12.2024
-
BGH begrenzt Zulässigkeit von Skonti auf verschreibungspflichtige Arzneimittel
03.12.2024
-
Microsoft Advertising haftet bei fehlender Einwilligung automatisch gesetzter Cookies
28.11.2024
-
Rückbeteiligung bei Unternehmensverkäufen: Chancen und Herausforderungen
26.11.2024
-
Diese Compliance-Regelungen gelten für Geschenke und Einladungen
25.11.2024
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024