Fluggastentschädigung für Verspätung direkter Anschlussflüge

Der EuGH hat die Rechte der Fluggäste bei großen Verspätungen gestärkt, indem er direkte Anschlussflüge anderer Fluggesellschaften einbezieht. Voraussetzung: Die Flüge mit unterschiedlichen Airlines waren Gegenstand einer einheitlichen Buchung.

Nach dem Sommerchaos an Flughäfen durch Personalmangel, Verspätungen und Flugausfälle hat der EuGH die Rechte der Fluggäste bei großen Verspätungen direkter Anschlussflüge deutlich gestärkt.

In mehrere Einzelflüge unterteilte Gesamtflugreise

Anlass der Entscheidung war eine Entschädigungsklage des Rechtsdienstleisters „flightright“ aus dem abgetretenen Entschädigungsanspruch eines Fluggastes, der in einem Reisebüro elektronisch einen Flugschein für einen Flug von Stuttgart nach Kansas City gebucht hatte. Die Flugreise war in mehrere Einzelflüge aufgeteilt. Die 1. Flug führte mit „Swiss International Airlines“ nach Zürich, der 2. und 3. Flug jeweils mit American Airlines nach Philadelphia und schließlich nach Kansas City. Die ersten beiden Flügel verliefen beanstandungsfrei, der 3. Flieger landete mit einer Verspätung von 4 Stunden. Der Rechtedienstleister forderte wegen dieser Verspätung eine Entschädigung in Höhe von 600 Euro nach der EU Fluggastrechteverordnung 261/2004.

Einheitlicher Flugschein für den Gesamtflug

Der Flugschein wies lediglich „American Airlines“ als Dienstleistungserbringerin für den gesamten Flug aus und enthielt eine einheitliche Buchungsnummer für die gesamte Flugstrecke. Das Reisebüro stellte eine einheitliche Rechnung über den gesamten Reisepreis für Hin- und Rückflug aus.

BGH bittet EuGH um Auslegung der EU-FluggastrechteVO

Die Flightright-Klage ging bis zum BGH. Dieser bat den EuGH um Auslegung der „EU Verordnung über Ausgleichsunterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung“ 261/2004. Der EuGH machte seine Entscheidung maßgeblich an dem dort verwendeten Begriff der „direkten Anschlussflüge“ fest. Nach Auffassung des EuGH umfasst dieser Begriff auch solche Flüge, die aus mehreren Teilflügen bestehen, die in einem Mitgliedstaat der EU starten und zu einem Ziel außerhalb der EU führen.

Einheitliche Buchung ist Voraussetzung für Entschädigung

Die wesentliche Einschränkung des EuGH besteht darin, dass die Einzelflüge sich als Gesamtheit darstellen und deshalb Gegenstand einer einzigen Buchung gewesen sein müssen. D.h. in der Praxis, dass die Buchung des gesamten Fluges über ein Reiseunternehmen erfolgt sein muss, das hierfür einen einheitlichen Flugschein ausgibt und einen Gesamtpreis in Rechnung stellt. Nur unter diesen Voraussetzungen sei der Begriff des direkten Anschlussfluges erfüllt.

Einheitlicher Flugschein ist Beweismittel

Den Beweis dafür, dass die Buchung sich als Gesamtheit darstellt, kann der Fluggast nach der Entscheidung des EuGH durch Vorlage des Flugscheins erbringen. Weise dieser eine Gesamtreise - in diesem Fall von Stuttgart nach Kansas City - aus, so sei davon auszugehen, dass der gesamte Beförderungsvorgang auf einer einheitlichen Buchung beruht, so dass es sich bei den aufgeführten Einzelflügen um direkte Anschlussflüge im Sinne der EU-Verordnung handelt.

Rechtliche Verbundenheit der Flugunternehmen ist nicht erforderlich

Schließlich stellte der EuGH klar, dass die Verordnung über Ausgleichsleistungen für Fluggäste keine Bestimmung enthält, wonach die Einstufung als direkter Anschlussflug davon abhängen würde, dass eine rechtliche Verbundenheit zwischen den ausführenden Luftfahrtunternehmen besteht. Das Erfordernis einer rechtlichen Verbundenheit der Flugunternehmen als zusätzliche Bedingung für eine Entschädigungsleistung würde dem Ziel der FluggastrechteVO der Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für Fluggäste zuwiderlaufen, da dies die Entschädigungsansprüche der Fluggäste in ungerechtfertigter Weise beschränken würde.

Endgültige Entscheidung liegt beim BGH

Der BGH muss nun unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des EuGH den Rechtsstreit endgültig entscheiden.

(EuGH, Urteil v. 6.10.2022, C-436/21)

Hintergrund:

Der EuGH hat bereits mehrfach die Rechte der Fluggäste gestärkt. Erst im April hatte das Gericht entschieden, dass Reisende auch dann Anspruch auf Entschädigung haben, wenn ein in der EU gestarteter Flug mit Verspätung auf einem Flughafen außerhalb der EU landet, auch wenn der Flug von der Fluggesellschaft eines Drittstaates durchgeführt wurde und mit mehrfachem Umsteigen in Drittländern verbunden war (EuGH, Urteil v. 7.4.2022, C-561/20).

Die Rechtsprechung des EuGH hat für Flugreisende erhebliche praktische Bedeutung. Die Zahl der Anträge von Fluggästen auf Entschädigung wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge ist in Deutschland im September 2022 enorm gestiegen. Die für Reisen und Verkehr zuständige Schlichtungsstelle (SÖP) meldete für dieses Segment im September knapp 4.000 Schlichtungsanträge.


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