Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
Grundsatz der Formfreiheit
Die meisten Verträge können nach deutschem Recht wirksam formfrei geschlossen werden, also auch mündlich und per Handschlag. Dasselbe gilt für einseitige Gestaltungserklärungen wie Kündigungen, Genehmigungen oder Rücktrittserklärungen. Schon die mündliche Vereinbarung bzw. Erklärung ist rechtsverbindlich. Ob und wie sich das bei Bedarf beweisen lässt, ist eine andere Frage.
Formzwang bei speziellen Rechtsgeschäften
Für spezielle Verträge und Erklärungen schreibt das Gesetz besondere Formerfordernisse vor. So müssen Testamente handschriftlich verfasst werden (§ 2247 Abs. 1 BGB); Eheverträge (§ 1410 BGB), Verträge über die Abtretung von GmbH-Anteilen (§ 15 Abs. 3 GmbHG) und Grundstückskaufverträge (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB) bedürfen der notariellen Beurkundung. Für den Widerruf der Vertragserklärung eines Versicherungsnehmers (§ 8 Abs. 1 S. 2 VVG) und Mieterhöhungsverlangen des Vermieters (§ 558 Abs. 1 BGB) ist die Textform nach § 126b BGB vorgeschrieben. Für diese und andere Fälle der Textform genügt eine E-Mail, eine SMS oder auch eine WhatsApp-Nachricht – selbstverständlich auch eine eingescannte Unterschrift.
Anders ist die Lage, wenn die Schriftform nach § 126 BGB gesetzlich vorgeschrieben ist. Das gilt etwa bei Verbraucherdarlehensverträgen (§ 492 Abs. 1 BGB), bei Bürgschaftserklärungen, die kein Handelsgeschäft darstellen (§ 766 BGB), bei Mietverträgen mit einer vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr (§ 550 BGB) sowie bei Kündigungserklärungen im Wohnraummietrecht (§ 568 Abs. 1 BGB) oder im Arbeitsrecht (§ 623 BGB).
Arbeitsverträge können grundsätzlich formfrei geschlossen werden (§ 611a BGB). Befristungen bedürften hingegen nach § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform.
Eingescannte Unterschrift genügt der Schriftform nicht
Wenn – wie in diesen Fällen - eine Schriftform nach § 126 BGB vorgeschrieben ist, reicht eine eingescannte Unterschrift zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht aus. Das in § 126 BGB vorgesehene Merkmal "eigenhändig" schließt jede Form der mechanischen Vervielfältigung – und damit auch einen Scan – aus (so zuletzt das LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.3.2022 – 23 Sa 1133/21). Gleiches gilt auch für die Kündigung des Arbeitsvertrags nach § 623 BGB. Auch hier reicht eine eingescannte Unterschrift nicht.
Dass die Schriftform grundsätzlich nach § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden kann, hilft nicht weiter. Denn die elektronische Form verlangt ihrerseits nach § 126a Abs. 1 BGB eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS). Eine eingescannte Unterschrift erfüllt jedoch auch nicht die Anforderungen an eine qeS.
Besonderheiten des Prozessrechts
Als materiell-rechtliche Norm findet § 126 BGB hingegen keine Anwendung auf schriftlich vorzunehmende Prozesshandlungen. Im Verfahrensrecht ist das Schriftformgebot eigenständig zu bestimmen. Vor den Zivilgerichten gilt das insbesondere für die schriftlich und unterschrieben einzureichende Klageschrift (§§ 253 Abs. 1 und 4, 130 Nr. 6 ZPO). Ob hier eine eingescannte Unterschrift genügt, beurteilt sich nach dem Übermittlungsweg.
Bei der Übermittlung durch Telefax muss die Unterschrift auf dem Originalschriftsatz eigenhändig vollzogen sein (§ 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO) – eine eingescannte Unterschrift genügt nicht. Hiervon hat der BFH eine Ausnahme zugelassen, wenn im Einzelfall dennoch die Urheberschaft des Schriftstücks und der Verkehrswille des Absenders feststehe (wenn also der Zweck des Schriftlichkeitsgebots gewahrt bleibe).
BFH, Urteil vom 22.6.2010 – VIII R 38/08
Diese Ausnahme zeigt jedoch nur, dass das Schriftlichkeitsgebot im Zweifel nach seinem Sinn und Zweck auszulegen ist. Zur Verwendung eingescannter Unterschriften sollte sie wegen ihres Einzelfallcharakters nicht verleiten.
Bei der Übermittlung durch Computerfax genügt es hingegen, wenn die eigenhändige Unterschrift in das Dokument eingescannt wird. Auch bei der Übermittlung durch E-Mail hat es der BGH genügen lassen, wenn der unterschriebene Schriftsatz eingescannt und als PDF-Datei an das Gericht gemailt wird – sofern dieses den Schriftsatz ausdruckt.
BGH, Beschluss vom 8.5.2019 – XII ZB 8/19
Prozessuale Schriftformgebot
Die Frage, welche Anforderungen an das prozessuale Schriftformgebot zu stellen sind, hat allerdings mit der Einführung der Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs via beA (§ 130d ZPO) stark an Bedeutung verloren. Sie stellt sich nur mehr, wo eine solche Pflicht nicht besteht. Das betrifft zum einen die Fälle, in denen die elektronische Einreichung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist (§ 130d S. 2 ZPO). Zum anderen betrifft es diejenigen Personen, die aus dem Kreis der Nutzungspflichtigen fallen – insbesondere also Naturparteien.
Sonderregelungen im materiellen Recht
Auch außerhalb des Prozessrechts gilt das Eigenhändigkeitsgebot für Unterschriften nicht uneingeschränkt. Zum einen gilt dies – wie bereits dargelegt – in den Fällen der Textform (§ 126b BGB). Darüber hinaus erklärt das materielle Recht vereinzelt auch eine vervielfältigte (also auch eingescannte) Unterschrift für ausreichend. Damit soll den Bedürfnissen des Massenrechtsverkehrs Rechnung getragen werden. Derartige Ausnahmen kennt das Gesetz etwa für die Unterzeichnung von Inhaberschuldverschreibungen (§ 793 Abs. 2 S. 2 BGB) und die Unterzeichnung von Aktien (§ 13 S. 1 AktG).
Fazit
Wo das Gesetz nichts anderes bestimmt, gilt im materiellen Recht der Grundsatz der Formfreiheit: Verträge können mündlich geschlossen werden. Wenn das Gesetz die Textform (§ 126b BGB) anordnet, reicht eine mündliche Vereinbarung zwar nicht. Ausreichend ist aber eine eingescannte Unterschrift, E-Mail, SMS oder auch WhatsApp-Nachricht. Verschärft sind die Anforderungen bei der Schriftform (§ 126 BGB). Hier genügt weder eine E-Mail noch eine eingescannte Unterschrift – es muss "blaue Tinte" eingesetzt werden.
Im Prozessrecht ist das Schriftlichkeitsgebot eigenständig zu bestimmen. Hier genügt eine eingescannte Unterschrift nur bei der Übermittlung durch Computerfax ohne Weiteres. Mit Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 130d ZPO (beA) hat sich diese Frage jedoch entschärft.
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